Ein Parteitag hört zu

Fast sieben Stunden redete Fidel Castro vor den Delegierten der KP Kubas – und demonstrierte beste Gesundheit  ■ Von Bert Hoffmann

Sechs Stunden und 43 Minuten: Das ist selbst für Fidel Castro rekordverdächtig. Dabei hatte es im Vorfeld des V. Parteitags der kubanischen Kommunistischen Partei, wie schon so oft, an Spekulationen über Castros Gesundheitszustand nicht gemangelt: Müde sehe er aus, schwer krank sei er, vielleicht schon dem Sterben geweiht?

Der 71jährige Revolutionsführer dementierte auf seine Weise: Zum Auftakt des KP-Kongresses am Mittwoch wurde erstmals nicht der schriftliche Bericht des Politbüros verlesen, sondern Fidel hielt den rund 500 Delegierten eine improvisierte Rede – „einige Betrachtungen“, wie er es nannte – fast sieben Stunden, ohne Pause. Darin erinnerte er an den vor genau dreißig Jahren in Bolivien getöteten Guerillero Che Guevara, dessen Geist und Vorbild den Kongreß leiten werde, und er bestätigte den bisherigen politischen Kurs: Sozialismus und Einparteiensystem als unverrückbare Grundlagen der Nation, der „demokratische Zentralismus“ als bewährtes Fundament der Parteiorganisation. Änderungen in diesen Eckpfeilern der Politik wurden ausgeschlossen. Für Überraschung sorgte, daß Castros von den Delegierten mit langem Applaus bedachte Marathonrede im kubanischen Fernsehen nicht live übertragen wurde, sondern lediglich verspätet und in Ausschnitten wiedergegeben wurde. Auch für ausländische JournalistInnen ist der Parteitag nicht zugänglich.

Das Leitmotiv der Rede Fidel Castros – und des Kongresses insgesamt – war die unverrückbare „Einheit“ der Revolutionäre. Das in riesigen Lettern hinter dem Rednerpult angebrachte Motto des Kongresses hieß: „Dieses Volk, diese Partei, werden niemals ihre Einheit aufgeben!“

Auch in der Wirtschaftspolitik bestätigte Fidel den bisherigen Kurs einer Öffnung nach außen und die Einrichtung von Dollarsektoren auf der Insel, auch wenn dies soziale Ungleichheit mit sich bringe.

„Wir haben in dieser Situation die Philosophie verfolgt, daß wir nicht in einer Kristallkugel leben können“, erklärte der Partei- und Staatschef den Delegierten. Nach dem Wegfall der Sowjetunion und der übrigen sozialistischen Staaten „mußten wir uns an die externen Bedingungen anpassen, den Kontakt zur Welt behalten und positive Elemente der Marktwirtschaft aufnehmen“. Kuba sei „für alle wirtschaftlichen Möglichkeiten offen, außer für die Aufgabe des Sozialismus“.

Die Ankündigung eines weiterführenden Reformprogramms nach dem Vorbild Chinas oder Vietnams ist dies jedoch nicht. Flächendeckend wurden neue und höhere Planziele für alle Wirtschaftsbereiche verkündet, aber keinerlei Veränderungen in den ökonomischen Funktionsmechanismen, die ein Erreichen dieser Ziele wahrscheinlicher machen könnten. Doch nachdem die Parteiführung im Vorfeld des Kongresses die Bevölkerung mit Durchhalteparolen auf harte Zeiten vorbereitet hatte, gab Fidel Castro für dieses Jahr ein voraussichtliches Wirtschaftswachstum von 2 bis 3 Prozent bekannt – weniger als ursprünglich geplant, aber immerhin.

Erst am heutigen Freitag werden auch Personalentscheidungen fallen. Im Vorfeld hatte man angekündigt, daß Politbüro und Zentralkomitee verkleinert werden sollen. Es ist anzunehmen, daß dies hinter den Kulissen zu einigem Gerangel um die Machtverhältnisse in der KP-Führung geführt haben könnte. Spekulationen machten die Runde über einen weiteren Machtzuwachs der Armee. Aber auch eine weitere Verjüngung der Führung ist zu erwarten – freilich ausgenommen der „Comandante en Jefe“, Fidel, und sein Bruder und Armeechef, Raúl Castro.