Alle Seiten suchen die militärische Lösung

Der mysteriöse Beschuß des Amtssitzes von Präsident Kabila durch Milizen in Kongo-Brazzaville ist für die Regierung in Kinshasa eine „Kriegserklärung“. Nun soll Angola in Brazzaville mitintervenieren  ■ Aus Kinshasa Daniel Stroux

„Das ist eine Kriegserklärung. Eine Bombe ist auf den Amtssitz des Präsidenten gefallen und hat zwei Soldaten getötet. Das können wir nicht länger hinnehmen!“ Raphael Ghenda, Informationsminister von Laurent Kabilas Regierung in der Demokratischen Republik Kongo, ist hocherregt. Sein Zorn richtet sich dann gegen die „internationale Gemeinschaft“ und die UNO im besonderen, die einerseits das Schicksal ruandischer Flüchtlinge im Kongo beklage, andererseits dem Bürgerkrieg im Nachbarland Kongo- Brazzaville und der Beschießung Kinshasas untätig zusehe. „Die UN-Kommission sollte nach Brazzaville gehen und sich dort nützlich machen“, schimpft Ghenda.

Während des Gesprächs tritt General Faustin Munene, Vizeinnenminister von Kongo-Kinshasa, in das Büro des Informationsministers. Ein Militär begleitet ihn, in den Armen das angeblich auf Kabilas Amtssitz gefallene Projektil: etwa 70 Zentimeter hoch, 20 Zentimeter Durchmesser, auf der einen Seite aufgerissen mit wegstehenden Metallteilen. Das sei ein russisches Artielleriegeschoß des Typs BM-21. „Eine Kriegserklärung!“ betont auch Munene.

„Sie haben doch letzte Woche Beobachter nach Brazzaville geschickt. Wissen Sie nicht, wer geschossen hat?“ fragt wenig später eine Reporterin des kurzfristig herbeigerufenen Teams des nationalen Fernsehens. Eine Antwort auf diese Frage erhält sie nicht. Statt dessen wiederholt sich die Tirade gegen den Westen, diesmal angeführt von Gaetan Kakudji, stellvertretender Generalsekretär der herrschenden Allianz Demokratischer Kräfte für die Befreiung des Kongo (AFDL) und Gouverneur der Südprovinz Katanga. Kakudji lästert über die UN-Kritik an der Ausweisung ruandischer Hutu-Flüchtlinge aus dem Osten des Kongo: „Wir sollen jetzt plötzlich ruandische Flüchtlinge aufnehmen, wo man uns doch Massaker vorwirft?“ Der einzige anwesende westliche Journalist wird zusammen mit den Ministern in die Fernsehbilder für die Abendnachrichten aufgenommen und damit mehr oder weniger vorgeführt.

„Ist das der Krieg?“ fragt am nächsten Tag angstvoll die Schlagzeile der Zeitung Le Phare in Kinshasa. Die neuen Bomben aus Brazzaville, das von Kinshasa nur durch den Kongo-Fluß getrennt ist, kamen allerdings keineswegs überraschend. Mit der zwischen Kabila und Pascal Lissouba, Präsident von Kongo-Brazzaville, abgesprochenen Entsendung von „Militärbeobachtern“ hat Kongo- Kinshasa klar in den seit vier Monaten laufenden Bürgerkrieg zwischen Lissouba und Oppositionschef Denis Sassou-Nguesso in Brazzaville eingegriffen. Am Dienstag schoß Kinshasas Militär besonders heftig über den Fluß; am Mittwoch erklärte der Rundfunksender von Sassou-Nguesso, ab jetzt gelte nur noch die militärische Lösung. Abends nach 22 Uhr kann man aus Kinshasas Hochhäusern gut sehen, wo die aus Kinshasa über den Fluß abgefeuerten Geschosse landen: im vollkommen dunklen Norden von Brazzaville, Hochburg von Sassou-Nguesso.

In Diplomatenkreisen in Kinshasa wird daher spekuliert, daß die Aufregung über den angeblichen Beschuß von Kabilas Amtssitz Teil einer Inszenierung sein könnte. Fraglich ist, ob das vorgezeigte Projektil überhaupt in den Präsidentenpalast fiel: Die diplomatischen Vertretungen befinden sich alle in der Nähe, aber niemand hörte um die fragliche Zeit eine außerordentliche Detonation. Die Rolle Kinshasas im mörderischen Bürgerkrieg von Brazzaville wird dadurch nur wenig klarer. Die Regierung Kabila bestätigt zwar nicht offiziell die Entsendung von Truppen, bestreitet sie aber auch nicht. Diplomaten berichten von bis zu 2.000 nach Brazzaville entsandten Soldaten, darunter welche aus Tansania. General Munene bestätigt gegenüber der taz, daß die Kabila-Regierung nicht allein in Brazzaville intervenieren will: „Angola muß dabeisein“, sagt er. Zeitungsberichten zufolge halten sich angolanische Soldaten schon in Kinshasa auf.

Auch Ruandas Verteidigungsminister Paul Kagame besuchte diese Woche Kinshasa und blieb einen Tag länger als geplant. Sollten Kabilas Militärs in Brazzaville an der Seite von Präsident Lissouba kämpfen, haben sie wenig ausrichten können: Lissoubas reguläre Armee und Miliz haben in diesen Tagen erhebliche Gebietsverluste hinnehmen müssen. Dabei wurde auch das bislang von den Kämpfen relativ unberührte Viertel Bas-Kongo, Hochburg des Premierministers Bernard Kolelas, in Mitleidenschaft gezogen. Angeblich sollen Kabilas Soldaten versucht haben, Sassou-Nguessos Hochburgen im Norden von Brazzaville von hinten anzugreifen, aber schnell zurückgewichen sein, als sie deren Ausrüstung sahen. Nguessos Milizen sollen inzwischen Ausrüstung von afrikanischen Verbündeten Frankreichs, wie Togo, erhalten.