Mit wie vielen Zungen redet Manfred Stolpe?

■ Ignatz Bubis erneuert seine Kritik an Brandenburgs Ministerpräsident wegen Gollwitz-Affäre

Berlin (taz) – Als der Zentralrat der Juden in Deutschland vor ein paar Tagen seine Grußbotschaft anläßlich des Beginns des jüdischen Jahres 5758 verschickte, wußte er noch nichts von der Affäre Gollwitz. Auch nicht, daß der brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) die Einwohner des Dorfes in Schutz genommen hatte. Der Beschluß des Gemeinderats, keine russischen Juden in ihrem Dorf zu wollen, sei kein Ausdruck der „Judenfeindschaft“, sondern ein „Planungsfehler“ gewesen. Die Dörfler würden sich überfordert fühlen, so Stolpe.

Weil der Vorsitzende des Zentralrats, Ignatz Bubis, dies damals alles noch nicht wußte, liest sich die Danksagung an die Länder und Kommunen, „die uns bei der Lösung der mit der Zuwanderung verbundenen Probleme mit Verständnis unterstützen“, wie Hohn.

Gestern, beim Neujahrsempfang für Politik und Presse in Berlin, machte Bubis keinen Hehl daraus, wie wenig er von Stolpes „Verständnis“ hält. Nach Gollwitz „stelle sich doch die Frage, wie viele Juden verträgt und erträgt der normale Bürger in Deutschland“. Das Traurige an der Geschichte sei doch, daß die Gollwitzer von Stolpe als ganz normale Bürger hingestellt werden, die da offen antisemitische Vorurteile wiederholen. Von „normalen Bürgern sei auch bei der Machtergreifung Hitlers 1933 gesprochen worden“. Sehr bedenklich wäre es auch, daß der Staat vor diesen Leuten eingeknickt sei, dies gebe den Leuten das Gefühl, ihr Ziel erreicht zu haben. Bubis warf Stolpe ebenfalls vor, „jedem nach dem Munde zu reden“. Am Telefon habe sich der Ministerpräsident ganz entsetzt über die Gollwitzer gegeben („ganz schlimm“), und bei den Gollwitzern selbst habe er die Presse für das Hochspielen der Affäre gerügt.

„Was soll ich von einem Menschen halten, der in verschiedenen Sprachen spricht?“ fragte er.

Vor dem Hintergrund dieser Affäre mache es ihn jetzt auch sehr „nachdenklich“, daß Brandenburg als einziges östliches Bundesland noch keinen Staatsvertrag mit der Jüdischen Gemeinde abgeschlossen habe. Anita Kugler