Patientin vergewaltigt

■ Behandelnder Arzt nutzt Wehrlosigkeit unter Narkose aus. Urteil: Bewährungsstrafe

Kempten (dpa) – Für die Vergewaltigung einer narkotisierten 16jährigen Patientin hat ein 62jähriger Arzt aus Lindau eine Bewährungsstrafe erhalten. Das Landgericht Kempten verurteilte den Mediziner wegen sexuellen Mißbrauchs von Widerstandsunfähigen gestern zu zwei Jahren auf Bewährung. Der Richter begründete das Urteil, mit der vor acht Monaten verübten Tat habe sich der Mann selbst gebrandmarkt und stehe außerhalb der Gesellschaft.

Der Arzt, über den ein zweijähriges Berufsverbot verhängt wurde, gestand vor Gericht. Die junge Frau aus Rußland hatte ihn zu einer Magenspiegelung aufgesucht. Er verabreichte ihr zwei Spritzen. Nach dem Eingriff lag die Frau mit offenen Augen, aber wehrlos auf dem Behandlungstisch. Der Mediziner schickte seine Arzthelferin nach Hause. Danach entkleidete er die Frau und vergewaltigte sie. Anschließend fuhr er die Patientin nach Hause.

Der 62jährige habe das Vertrauensverhältnis der jungen Frau schwer mißbraucht und ihr psychischen Schaden zugefügt. „Noch heute geht die Frau nur in Begleitung zu einem Arzt“, sagte der Richter.

Bereits vor 15 Jahren geriet der Arzt in die Schlagzeilen. 1982 wurde seine damals 15jährige Stieftochter während eines Urlaubs in Lindau Opfer eines Sexualverbrechens. Auch der jetzt Verurteilte wurde verhört. Ein Täter wurde nicht ermittelt, das Verfahren eingestellt. In Frankreich kämpfte der leibliche Vater des Mädchens um eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Die französische Justiz nahm 1992 die Ermittlungen auf. Der Lindauer Arzt wurde am 9. März 1995 vom Pariser Schwurgericht wegen gewaltsamer Nötigung mit Todesfolge zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Dieses Urteil sei in Deutschland nicht verwendbar, sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung.