Laubduft, Sex und Lustigkeit

■ Wundersame Uraufführung eines merkwürdigen Stückes: Schröders „Hechinger“im TiK

Welch wundersames Theatererlebnis! Ein rundes Stück, dieses Hechinger, das am Donnerstag im TiK uraufgeführt wurde, unterhaltsame Publikumsreaktionen – und am Ausgang ein reumütiger Intendant, der sich bei seinen Gästen entschuldigte: „Ich habe das Stück nicht geschrieben!“Ist doch gar nicht so schlimm, Herr Flimm, erwartet von Ihnen ja gar niemand, daß Sie auch noch Stücke schreiben!

Das Schöne an Hechinger: Alle Figuren denken menschlich, handeln nachvollziehbar, und dennoch ist das Stück absurd. Thema des Abends: Sehnsüchte. Absurd: ihre Verwirklichung. Das geht so: Drei Kleinstadtmädchen wollen einen „wilden Mann“und werfen sich ran an ihren neuen Sportlehrer. Nach viel Durcheinander ziehen sie mit Hechinger (Stephan Benson) in den Wald und leben einige Monate lang von Laubduft und von Sex auf einem Moosbett. Dann sind einige Jahre vergangen, die Mädchen zu Frauen geworden, und Hechinger, von der Stadtbevölkerung zum Halbgott befördert, verkauft mittlerweile Haschpfeifen.

Ein drolliger Bürgermeister (Hannes Hellmann) und drei Sportvereins-Krämer (Angelika Thomas, Nicola Thomas, Dirk Ossig) reichern das Ganze mit noch mehr Lustigkeit an. Das hat Jens Schmidl wacker inszeniert, obwohl er noch ein bißchen mehr auf die Pauke hätte hauen dürfen. Es gibt Gerüchte, daß es Streit gab bei den Proben – aber Streit kann ja ganz positiv sein. Warum nur „Buhs“zu hören waren, als der Autor des Stückes, Wolf Christian Schröder, zum Schlußapplaus die Bühne betrat, war jedenfalls nicht klar – während der Aufführung hatten sich viele Zuschauer ganz fröhlich gezeigt. Dann aber stellte einer fest, daß „die jungen Leute heutzutage von den Sitcoms“so verdorben seien, daß sie „ihr Gehirn an der Garderobe abgeben“würden – eine Aussage, die ja nicht nur einer inneren Logik entbehrt.

Wenn man diesen Männern erzählte, daß Rammstein, deren Musik in der Inszenierung verwendet wurde, heute eine der erfolgreichsten deutschen Popgruppen ist, hielten sie es wohl auch für einen schlechten Witz. Nein, meine Herren, Sie scheinen sich nicht gut auszukennen in der Welt. Und daß Jürgen Flimm sich bei Ihnen nach der Aufführung entschuldigte, brauche ich nicht zu verstehen. Auch wenn ich an der Garderobe kein Hirn, sondern einen Mantel abgeholt habe. Nele-Marie Brüdgam