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Von Asche zu Asche

■ Über „Kunst – Tod, Vergehen und Werden“im Bestattungshaus Schomaker

as sieht man, wenn man blind ist von den Tränen? Weil einer gestorben ist, ohne den man es nicht aushält. Sieht man, wenn man an einem dieser schlimmen Tage durchs Begräbnisinstitut zum Aufbahrungszimmer tappt, im Treppenhaus an der Wand dieses Bild? Dieses Bild von einem neugeborenen Baby, das so eigenartig still und ernst und weise in die Kamera blickt, als wüßte es mehr über unser Ende als wir?

Das traditionsreiche Bremer Beerdigungsinstitut Schomaker, seit 100 Jahren „mehr als ein Bestattungsinstitut“(Eigenwerbung), hat in seinen für gewöhnlich lieber gemiedenen Gängen und Zimmern Kunst ausgestellt. Eine Installation, Malerei und Fotografie sind Montags bis Freitags zwischen 14 und 17 Uhr zu besichtigen. Der Hintergrund für diesen in der Branche ungewöhnlichen Schritt ist prosaisch: „Der Markt ist hart.“Sagt Herr Mayer-Wahlers, PR-Mann von Schomaker. Nicht daß die Leute weniger stürben. Doch die Sitten verfallen, das Geld ist knapp, und Billigsärge werden von Discountern angeboten. Da erscheint es ökonomisch sinnvoll, wenn ein Beerdigungsinstitut in die Werbeoffensive geht und seine umfassenden Dienstleistungen bekannt macht. Es geht ja im Bestattungsgeschäft beileibe nicht mehr nur um das Material des letzten Hemdes oder die Alternative „Eiche-oder-Fichte“. Trauerbegleitung, Trostseminare, lindernde Reiki-Kurse u.s.f. sind im Angebot, auch eine Selbsthilfegruppe „In den Lebenskreis zurückfinden“oder die „Trauergruppe für Männer“.

Trauerarbeit also. Sinn im Unsinn finden, oder wenigstens einen Zusammenhang. Von daher ist es nicht einmal irritierend, wenn man in einem Raum, in dem sonst Exklusiv- und Sondersärge ausgestellt sind, neben Bildern von alten Leuten und Särgen auch die Fotos von einer Geburt findet. Der taz-Fotograf Tristan Vankann hatte diese Geburt mit der Kamera begleitet. Dunkel und erschreckend ist, durch das Objektiv Vankanns gesehen, nämlich nicht nur das letzte Stündlein, das mit einem Häufchen Asche und einem Zettel („Nr. 4297“) endet. Sondern auch das erste Stündlein, wenn ein noch nicht ganz den Lebendigen angehöriger Kindskopf aus dem Leib der Mutter ragt. Der Suggestivität dieser Bilderserie kann man sich schlecht entziehen.

„Lernen, mit Farben Gefühle auszudrücken“lautet der Titel eines Kurses, den die Kunsttherapeutin Susanne Hülser „als Hilfe zur Trauerbewältigung“in Schomakers Auftrag anbietet. Wie man das macht, kann man möglicherweise von Andreas Vogel lernen, einem Maler und Gaststudenten der HfK, der große Leinwände mit viel Schwarz (was sonst?) bedeckt, gegen welches sich etwas Weiß und winzige Einsprengsel Bunt zu behaupten versuchen. Beinahe versöhnt geht dagegen Julia Voelkel (ebenfalls HfK) mit dem Tod um. In warmen gelb-grün-braunen Tönen deutet sie symbolisch Objekte an, die an antike Grabbeigaben erinnern, und ihre freundlichen Bilder fallen in der kleinen Kapelle des Instituts gar nicht auf. Noch viel beiläufiger gehängt sind die Totenmasken von Barbara Baum (Künstlerinnenhof „Die Höge“): Ihre „13 Phasen der Wandlung“, die sich mit der „Auflösung der Struktur“befassen, hängen an der Decke des Ganges zu den Aufbahrungsräumen. Unauffällig begleiten sie die Gramgebeugten, die sicher selten nach oben blicken.

Die mit Magie aufgeladenen Inszenierungen der Angela Kolter sind in Bremen wohlbekannt. Für Schomaker hat sie einen Raum eingerichtet, der wirkt, als wäre irgendein beschwörendes Ritual mit rieselndem Reis, in Taschen eingenähten Büchern und riesigen schwarzen Wandbildern unterbrochen worden. Andere Bilder wurden vorsichtshalber versteckt. Die Friedhofsimpressionen der Fotografin Margarete Rosenberger, die der Tod ihrer Mutter veranlaßte, auf allen ihren Reisen Friedhöfe zu besuchen und dort zu fotografieren, hängen im Treppenhaus, das wegen des Fahrstuhls kaum benutzt wird. Auch ein Beerdigungsinstitut, das angetreten ist, „das Thema Tod und Trauer aus der Tabuzone herauszuholen“(aus dem Katalog zum 100. Geburtstag), kennt Tabus.

Früher präsentierte das Schaufenster zur Bürgermeister-Smidt-Straße, wie es sich für einen Bestatter gehört, die Urnenauswahl des Hauses. Heute darf reihum jeder ausstellende Künstler für eine Woche das Schaufenster gestalten. Eigentlich hatte der PR-Mann Meyer-Wahlers ja daran gedacht, das Vankannsche Baby mit den wissenden Augen ins Fenster zu stellen. Doch dann hat er gefürchtet, seine Kundschaft zu überfordern: ein Baby im Bestattungsinstitut?! Doch keine Sorge, Herr Meyer-Wahlers: Dieses Kind ist noch so nahe an der Asche, da ist gar kein Mißverständnis möglich. BuS

Bestattungen Schomaker, Bgm.-Smidt-Straße 32-36, geöffnet Mo.-Fr. 14-17 Uhr und nach Vereinbarung. Bis zum 23.11.97.

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