Wohngemeinschaften im Auftrag des Herrn

■ Klöster gibt es in Berlin eine ganze Menge, aber oft bestehen sie nur aus einer Wohngemeinschaft. Neben der Seelsorge leisten die Ordensgemeinschaften vor allem soziale Arbeit

Sie kochen Suppe für Obdachlose, statten Notleidende mit Hosen und Blusen aus ihren Kleiderkammern aus, verarzten Aidspatienten, bieten Therapie an oder halten philosophische Vorträge. Wenn sie dabei Geld verdienen, geben sie es weiter und behalten nur das, was zum Leben notwendig ist. Angesichts der allgegenwärtigen Konsumwelten wirkt die Biographie vieler Klosterschwestern und -brüder wie aus dem Märchenbuch entnommen. Ehelosigkeit, Armut und Gehorsam sind Bedingungen, die es als Mitglied eines Ordens ein Leben lang einzuhalten gilt. Im Zentrum steht der Glaube an Gott, er ist Motor des Handelns.

Eine harte Schule, aber nicht für jeden: Immerhin 36 Frauen- und 18 Männerorden sind in Berlin zu Hause. Die Vielfalt dabei ist verwirrend: Da gibt es Dominikaner, Franziskaner, Karmelitinnen, Jesuiten, die Schwestern der Mutter Teresa, Arbeiterpriester, Johannisschwestern, Augustiner und viele andere. Die Gruppen sind selten größer als 12 Schwestern oder Brüder. Oft gibt es nicht einmal ein richtiges Kloster, sondern einfach nur eine Wohnung, die man sich teilt – eine WG im Auftrag des Herrn.

Nur wenige Orden sind durch ihre Arbeit bekannt, die zum größten Teil im sozialen Bereich geleistet wird. Die meisten Schwestern arbeiten in der Krankenpflege, einige leisten aber auch politische Arbeit. Wie zum Beispiel Schwester Cornelia Bührle, die Migrationsbeauftrage des Berliner Erzbischofs. Sie telefoniert tagtäglich in der ganzen Welt herum, um die Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen zu verbessern. Der Innensenator ist für sie dabei genauso Ansprechpartner wie die Ausländerbeauftragten der Bundesländer.

Bührle, die dem Orden der Schwestern des Sacre C÷ur angehört, hat wie viele ihrer Mitschwestern und -brüder studiert. Als Juristin ist sie viel in der Welt herumgekommen, eine Voraussetzung, die in den meisten Orden gern gesehen wird. Sogenannte Weltflüchtlinge, die aus Furcht vor der Realität hinter die Mauern eines Klosters schlüpfen wollen, sind hingegegen weniger willkommen. Statt sich in die Einsamkeit zu flüchten, sind viele Berliner Ordensgemeinschaften am Brennpunkt der Realität zu finden.

Bei fast allen Orden ist die fortwährende Bildung und das Ausüben eines Berufs selbstverständlich. Bei den Franziskanern in Pankow, die eine Suppenküche betreiben und Aidskranke betreuen, haben alle sechs Brüder eine Ausbildung als Sozialpädagogen, Priester oder Krankenpfleger. Ihr Geld verdienen sie als Angestellte freier Träger. Da Privatbesitz nicht erlaubt ist, geht der Monatslohn in die Gemeinschaftskasse, woraus dann die Ausgaben für Essen oder Kleidung bestritten werden.

Jesuit Pater Herbert, der das Therapieprojekt „Offene Tür“ in Charlottenburg betreut, hat eine typische Jesuiten-Biographie hinter sich. Einst Schüler einer Jesuitenschule, entschied er sich später, als Novize dem Orden beizutreten. Drei Jahre Studium der Philosphie, ein zweijähriges Praktikum und wiederum drei Jahre Studium, diesmal Theologie, folgten.

Bei den Schwestern im Kloster Karmel Regina Martyrium in der Nähe des Plötzensees beginnt der Eintritt in die Gemeinschaft mit dem sogenannten Postulat. Die Kandidatin trägt noch ihre eigene Kleidung, nimmt aber bereits am Klosterleben teil. Im folgenden Jahr als Novizin trägt sie bereits die Ordenstracht und bekommt einen Ordensnamen. Später beginnt dann die eigentliche Bindung an den Orden. Dreimal für je ein Jahr legt die Schwester ihre zeitlichen Gelübde ab. Danach folgt nach einer persönlichen Entscheidung und nach der Entscheidung der ganzen Gemeinschaft die endgültige Bindung an den Orden. Bis es jedoch soweit ist, kann sich jeder Bruder und kann sich jede Schwester jederzeit wieder vom Kloster verabschieden. Was viele auch tun: Die meisten Orden, nicht nur in Berlin, haben ernste Nachwuchssorgen. Christine Berger