Friedenstauben markieren den Weg

Auf Militärwegen des Ersten Weltkriegs in der norditalienischen Provinz Trentino. Eine Buchbesprechung  ■ Von Reinhard Kuntzke

Am Pian delle Fugazze, dem letzten Trentiner Paß vor den Ebenen des Veneto, beginnt die „Strada degli Eroi“ hinaus zum Pasubio. Mit einer Autostraße hat diese „Straße der Helden“ allerdings nicht viel zu tun. In endlosen Serpentinen schraubt sich die Schotterpiste am Südhang des Berges in die Höhe, der als Ort der furchtbarsten Stollen- und Minenkämpfe in die Geschichte des Ersten Weltkriegs eingegangen ist.

Im Abstand von nur wenigen Metern lagen sich am Pasubio die italienischen und österreichischen Soldaten in den Schützengräben gegenüber. Tag und Nacht, Sommer wie Winter wurde zweieinhalb Jahre lang gekämpft. Mit Artillerie, in Sturmangriffen und im mörderischen Nahkampf mit Bajonetten, Messern und Spaten. Keine Seite erreichte nennenswerte Geländegewinne. Statt dessen kamen Zehntausende am Pasubio um.

Heute verläuft über die Hochfläche des Gebirges der „Sentiero della Pace“, der Friedenspfad. Vor gut zehn Jahren wurde dieser Fernwanderweg durh die norditalienische Provinz Trentino als soziales Projekt zur Schaffung von Arbeitsplätzen angelegt. Am Bau des Wegs waren in den Anfangsjahren bis zu 185 Menschen beteiligt. In kleinen Teams zu fünf Personen arbeiteten neben älteren Arbeitslosen, die keine Chance mehr hatten, einen Job zu bekommen, auch Jugendliche, die auf eine reguläre Beschäftigung warteten. Eigenverantwortlich richteten die Arbeiter die zerstörten Kriegswege wieder her, restaurierten verfallene Schützengräben, stellten Wegweiser und Erläuterungstafeln auf und markierten den Wanderweg mit dem Symbol der Friedenstaube. Die Lohn- und Materialkosten übernahm die Trentiner Provinzregierung, die das Projekt des Sentiero della Pace als einen kleinen Beitrag zu einer internationalen Friedenspolitik versteht.

Mit allen Verästelungen ist der Friedenspfad, der vom Ortler-Cevedale-Massiv der früheren Frontlinie des Krieges bis zur Marmolada in den Dolomiten folgt, rund 400 Kilometer lang. WanderInnen auf dem Sentiero della Pace hatten bis vor kurzem jedoch arge Schwierigkeiten, die Route überhaupt zu finden. Denn die kleinen Markierungstäfelchen mit der Friedenstaube erfreuten sich bei Souvenierjägern so großer Beliebtheit, daß nach kurzer Zeit an allen entscheidenden Stellen die Hinweise fehlten. Einen gedruckten Wanderführer gab es nur für einen kleinen Teilabschnitt des Gesamtwegs in italienischer Sprache. Auf den Wanderkarten war der Friedenspfad nicht verzeichnet.

Abhilfe schafft nun ein kleines Buch, das vor kurzem auf deutsch im Verlag der Weitwanderer erschienen ist. Wochenlang war der Autor Oskar Schmidt auf dem Sentiero della Pace unterwegs und hat eine Route erkundet, die zwar nicht immer exakt der ursprünglichen Strecke folgt, dafür aber problemlos nachzuwandern ist. Schmidts Beschreibungen sind verläßlich und genau.

Auch ein anderes Problem stellt sich nun mit dem vorliegenden Wanderführer nicht mehr. Die Initiatoren des Sentiero della Pace orientierten sich in der Streckenführung so sehr am ehemaligen Frontverlauf, daß die Abstände zwischen den Übernachtungsorten teilweise unrealistisch groß waren. Schmidt hat den Friedenspfad nun so aufgeteilt, daß die insgesamt 30 Tagesetappen ein erträgliches Maß an täglicher Gehzeit nicht überschreiten. Außerdem werden Unterkunftsmöglichkeiten entlang der Route im Buch genannt, so daß auch eine individuelle Streckenaufteilung möglich ist. Wie alle Reiseführer hat aber auch das Buch über den Sentiero della Pace einen Mangel, den allerdings kein Autor vermeiden kann: Kaum erschienen, ist das Werk schon veraltet. Für die 27. Tagesetappe empfiehlt Schmidt einen Umweg hinab zum Passo Rolle, da es am eigentlichen Schlußpunkt der Teilstrecke in Paneveggio keine Beherbergungsmöglichkeit gäbe. Demnächst wird hier jedoch das Hotel La Bicocca eröffnet.

Oskar Schmidt: „Der Friedenspfad – Sentiero della Pace“. Verlag der Weitwanderer (Postfach 1364, 26183 Edewecht), Oldenburg 1997, 166 Seiten. 27 DM