Der Zug ist abgefahren

Länder und Medienkontrolleure haben letzten Widerstand gegen das Monopol von Bertelsmann, Kirch und Telekom beim Digital-TV aufgegeben. ARD entscheidet Montag  ■ Von Lutz Meier

Berlin (taz) – Gegen die Pläne der Medienkonzerne Bertelsmann und Kirch, mit der Telekom die künftige TV-Plattform zu beherrschen, gibt es aus Politik und Medienanstalten kaum mehr Widerstand. In einer Anhörung der bei Rundfunkdingen federführenden Mainzer Staatskanzlei, bei der es um die entscheidende Kabelverbreitung der künftigen TV-Technologie ging, zeichnete sich das am Donnerstag nachmittag ab.

Bereits gestern um 17 Uhr wollten die Medienanstalten Bayerns und Hamburgs die Angebote von Bertelsmann und Kirch ins Kabel eingespeist sehen – dieses geschieht zunächst aufgrund von Versuchslizenzen noch getrennt. Aber kein Beobachter zweifelt daran, daß damit die Regeln für die künftige Medienwelt vorweggenommen werden, noch bevor es im nächsten Herbst eine Rechtsgrundlage der Länder gibt.

Dabei gibt es in den Plänen nach wie vor eine ganze Reihe von Punkten, die Kritikern zufolge sowohl gegen Vorschriften des Rundfunkrechts der Länder verstoßen als auch gegen die Festlegungen der Medienanstalten. Ein Beispiel ist die Verschlüsselung. Wie die Verhandler der Telekom gestern deutlich machten, planen sie nach wie vor, auch die frei empfangbaren ARD/ZDF-Programme nur verschlüsselt zu übertragen. Das heißt, die Freischaltung der Programme obliegt ebenso wie die Verwaltung sämtlicher Zuschauerdaten den Kartellpartnern – einstweilen geschieht das bei Kirch, später soll es angeblich die Telekom übernehmen.

Der ARD-Vorsitzende Udo Reiter sagte gestern zwar noch einmal, eine Verschlüsselung sei „nicht hinnehmbar“. Doch seit in der vergangenen Woche das ZDF sich den von Bertelsmann/Kirch und Telekom gesetzten Regeln unterworfen hat, steht die ARD auf verlorenem Posten. Am Montag wollen die Intendanten über das weitere Vorgehen beraten. Beobachter erwarten, daß sie sich zähneknirschend mit den Zusagen des Konsortiums zufriedengeben. Denen zufolge sollen die Sender in einem technischen Sachverständigenbeirat vertreten sein, dem noch nicht näher spezifizierte Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Bertelsmann/Kirch/Telekom-Plattform eingeräumt werden.

Die Telekom gab bekannt, daß sie zusätzlich zu der beschlossenen Preiserhöhung für das Fernsehkabel einen Obolus von knapp 5 Mark von jedem Digitalkunden verlangt – ob er nur die kostenlosen ARD/ZDF-Angebote sehen will oder auch das Bezahlangebot der Bertelsmann/Kirch-Plattform Premiere. Eine Möglichkeit, sich digitale Empfangsgeräte anderswo als bei Bertelsmann/Kirch zu beschaffen, gibt es einstweilen nicht.

Die Mainzer Runde einigte sich mit den Konzernen, welche Sportereignisse nicht in deren Bezahl-TV mit eingehen sollen. Das betrifft für die nächsten fünf Jahre die Eröffnungs-, Halbfinal- und Finalspiele der Fußball-WM und EM sowie das Pokalfinale und die Olympiade. NDR-Intendant Plog sagte, damit werde nur „nachvollzogen, was die Konzerne bereits ausgehandelt haben“. Kiels Staatskanzleichef Klaus Gärtner machte gestern in einem Brief an seinen Mainzer Kollegen Klaus Rüter deutlich, er halte die freiwillige Vereinbarung anders als Ministerpräsident Kurt Beck noch nicht für endgültig: „Vorentscheidungen ... hat es nicht gegeben. Die sollten die Regierungschefs wie vereinbart erst Ende November treffen.“