„Bevor ich nur rumhänge“

■ Pro- und Contra-Gespräch über Zwangsarbeit für Sozialhilfeempfänger

Städte und Gemeinden sollen Empfänger von Arbeitslosenhilfe sowie Sozialhilfeempfänger künftig zu Aushilfsarbeiten wie Laubfegen oder die Pflege von Grünanlagen einsetzen können. Wer die angebotene Arbeit ablehnt, erhält kein Geld vom Amt mehr. Eine entsprechende Gesetzesänderung wurde gestern im Haushaltsausschuß des Bundestages beraten. Sozialsenatorin Tine Wischer (SPD) will sich zu diesen Plänen bislang nicht äußern, sagte gestern ihr Sprecher Holger Bruns. Es werde aber „hausintern ein Papier zur Beschäftigung Langzeitarbeitsloser beraten.“Man will dabei aber auf „Freiwilligkeit statt auf populistische Effekte setzen“, so Bruns. Wir fragten Sozialhilfeempfänger, was sie über die Pläne denken.

taz: Würden Sie Laub harken statt Sozialhilfe zu beziehen?

Wolfgang Stellmach, Sozialhilfe-Empfänger (38 Jahre alt): Warum soll ich denn arbeiten gehen? Ich habe für meine Sozialhilfe doch eingezahlt ohne Ende. Und dafür soll ich noch arbeiten? Jetzt kommen hier welche her – ob das Deutsche, Polen oder Russen sind – die haben nicht eingezahlt. Die können nicht einfach hierherkommen und das abgreifen. Dann sollen die doch auch arbeiten.

Es ist ja geplant, daß alle Sozialhilfe-Empfänger das tun sollen – egal welche Nationalität. Aber: Wie lange haben Sie denn eingezahlt?

Zwölf Jahre lang. Ich habe Maschinenbauer gelernt und bin seit dreieinhalb Jahren arbeitslos. Ich habe auch im Knast gearbeitet und habe da auch eingezahlt.

Die Idee, daß Sie gemeinnützige Aufgaben erledigen, könnte aber auch ein Vorteil sein: Sie hätten eine Aufgabe und dann wären die Tage nicht so lang?

Ich möchte aber auf jeden Fall sehen, daß ich hier in Bremen wieder eine richtige Arbeitsstelle kriege. Deshalb bin ich auch nach Bremen gezogen. Zur Zeit wohne ich aber noch im Jakobushaus für Obdachlose. Und Arbeit ohne Wohnung zu bekommen, läuft eben nicht einfach so.

Also Laubharken wäre nichts für Sie?

Nein, ich möchte lieber wieder in meinem alten Beruf arbeiten.

Wie sehen Sie denn die Chancen, daß das klappt?

Fünfzig zu fünfzig.

Und wenn Ihnen das Sozialamt plötzlich sagt: Passen Sie auf, ihre Sozialhilfe läuft aus. Sie kommen morgen früh um sieben Uhr zum Bürgerpark und nehmen einen Fecher in die Hand? Was würden Sie denen dann sagen?

Dann würde ich sagen: Harken Sie mal selber. Dann würde Sie sehen, wie das ist.

Wenn aber dabei die Bezahlung stimmen würde?

Dann würde ich das vielleicht annehmen. Aber am liebsten wäre mir ein Job in meinen angelernten Beruf. Das ist nun mal so.

taz : Wenn Sie morgen ins Sozialamt kämen und man Ihnen dort sagt: Ihre Sozialhilfe läuft aus, gehen Sie dafür morgen früh um sieben Uhr in den Bürgerpark und harken Laub. Was würden Sie machen?

Stony (20 Jahre alt), Sozialhilfe-Empfänger seit einem Jahr: Dann würde ich hingehen. Sieben Uhr ist doch nicht zu früh und nicht zu spät. Bevor ich den ganzen Tag rumhänge, mir langweilig ist und ich die ganze Zeit kiffe, wäre das glaube ich ganz gut für mich. So habe ich den ganzen Tag meine Ablenkung und Beschäftigung.

Die Ablenkung ist natürlich nicht sehr anspruchsvoll. Was haben Sie denn vorher gearbeitet?

Ich war Maurer, aber die Lehre habe ich nicht zu Ende gemacht.

Und warum nicht?

Tja, da kam wieder das Kiffen dazu. Für ein bißchen mehr Geld als das, was ich jetzt als Sozialhilfe bekomme, würde ich so eine Arbeit aber schon annehmen. Ein bißchen mehr Geld würde ich verlangen, damit das für mich so etwas wie ein Ansporn ist.

Wie hoch ist denn Ihr monatlicher Sozialhilfesatz?

Das sind 531 Mark im Monat und die Miete übernehmen die vom Amt auch noch. Aber so von heute auf morgen können Sie das mit dem Laubharken oder anderen gemeinnützigen Aufgaben gar nicht machen. Die meisten Leute, die ich kenne und die arbeitslos sind, sind nachts lange wach und schlafen bis 11 Uhr morgens. Die können nicht von einem Tag auf den anderen so früh aufstehen. Das muß ich mir doch irgendwie einteilen können.

Sie würden also Laubharken gehen, wenn Sie sich darauf früh genug einstellen könnten. Egal, wie hoch die Bezahlung ist?

Also für 2,50 Mark pro Stunde würde ich das nicht machen. Das ist ja auch unter den 531 Mark Sozialhilfesatz. Also so fünf bis sechs Mark, das sind so 800 bis 900 Mark im Monate, die würden mir schon reichen. Das reicht für Laubharken auch völlig aus.

Und Sie haben keine Bedenken, daß Passanten Sie beobachten und wissen: Das war mal ein Sozi-Empfänger?

Wieso? Im Bahnhof da fegt auch einer die Halle. Das ist doch nichts Schlimmes. Laubharken ist doch auch nicht Schlimmes, oder?

Könnte Ihnen dieser Zwang zur Arbeit helfen, den Absprung ins normale Arbeitsleben zu schaffen?

Kann sein. Aber wer zum Beispiel Alkoholiker ist oder wie ich kifft, der braucht einfach seine Droge. Wenn der jetzt von heute auf morgen arbeiten sollte, dann kann der ja bei seiner neuen Arbeitsstelle nicht einfach so mit einem Flattermann auftauchen. Da müßte man auf jeden Fall ein halbes Jahr vorher Bescheid wissen. Dann müßte man so etwas wie eine Schulung bekommen, um sich darauf vorzubereiten. Damit das mit dem Drogenproblem irgendwie alles geregelt wird. Sonst klappt das nicht. Sonst kommen die Drogen dazwischen und dann ist wieder alles umsonst gewesen.

Fragen: Katja Ubben