Das Runde ins Eckige schießen

■ Komödienstadl in der Hertha-Leitung vor dem heutigem „Schicksalsspiel“ gegen den VfL Bochum

Der tiefe Fall von Hertha BSC in der Fußball-Bundesliga raubt auch professionellen Wegbegleitern des Vereins den Schlaf. „Die Berliner wollen nicht mehr hören, warum die Mannschaft Scheiße spielt“, erklärte ein SFB-Journalist den jähen Quotensturz der TV- Sendung „Sport-Palast“. Die an Sorgen gewöhnte Hertha-Familie pilgert statt dessen lieber ins Olympiastadion, um sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, weshalb der Aufsteiger das Tabellenende der Bundesliga ziert. Pro Heimspiel kamen bisher durchschnittlich 54.000 Zuschauer, weit mehr als die veranschlagten 29.000 Zahlenden.

So ist auch heute, wenn um 20 Uhr das „Kellerduell“ gegen den Vorletzten aus Bochum angepfiffen wird, mit erhöhten Fan-Aufkommen zu rechnen. Während der treue Anhang auf eine Gala gegen die Westfalen hofft, inszeniert die Klubleitung einen Komödienstadl mit dem Titel: „Wer ist schuld am ganzen Schlamassel?“ In den Hauptrollen: alles, was Rang und Namen hat im Verein. Den Höhepunkt bildete eine Krisensitzung beim Marketingpartner ufa, zu dem ausgerechnet Hertha-Präsident Manfred Zemaitat nicht eingeladen worden war. Ist also der Chef schuld am sportlichen Niedergang, weil er zu wenig Tore schießt? Coach Jürgen Röber, der Mann, der für die Mannschaft verantwortlich zeichnet und sich peinliche Schnitzer bei der Verdingung dringend benötigter Verstärkungen leistete, ist scheinbar unschuldig. „Der Trainer steht nicht zu Diskussion“, behaupten die Verantwortlichen unisono. Selbst im Falle eines Abstiegs soll Röber Trainer bleiben. Nibelungentreue auf preußisch.

Zum Dank läßt dieser die Stimmbänder vibrieren. „Ich schrecke nicht davor zurück, teure Spieler auf die Bank zu setzen“, droht Röber. Kundige Fans haben die kostspieligen Einkäufe Bryan Roy, Alphonse Tchami oder Kjetil Rekdal längst als deplazierte Rasenkomiker ausgemacht. Neue Akteure sollen nun endlich „das Runde ins Eckige schießen“, wie ein erfolgreicher Torschuß unter Fußballern heißt. „Die Zeit des Schönredens ist vorbei“, verkündete Manager Dieter Hoeneß ausgerechnet im Hertha-geschädigten „Sport-Palast“ des SFB. Doch ob heute die Ära des Schönspielens beginnen wird, sagte Hoeneß nicht. Die Antwort muß das spielende Personal liefern. Jürgen Schulz