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■ Premierminister Tony Blair mischt sich in Nordirland einGroße Geste mit Rückversicherung

Ein Handshake mit Sicherheitsgurt: Der britische Premierminister Tony Blair hat die Hand des Sinn- Féin-Präsidenten Gerry Adams vom politischen Flügel der IRA unter Ausschluß der Öffentlichkeit geschüttelt, damit das Ereignis nicht dokumentiert ist, falls die nordirischen Friedensgespräche scheitern sollten. So hat es auch US-Präsident Bill Clinton vor zwei Jahren gemacht. Ein historisches Ereignis ist es dennoch, wenn ein britischer Regierungschef zum ersten Mal seit 1921 mit Sinn-Féin-Vertretern zusammentrifft.

Es ist eine symbolische Geste, die belegen soll, daß Blair die Teilnehmer an den Verhandlungen gleich behandelt. Sein Kurzbesuch in Belfast zielte darauf ab, den Gesprächen Auftrieb zu geben, und das haben sie auch nötig. Bisher hat man sich auf den Austausch von Positionspapieren beschränkt, die jeden nur denkbaren Aspekt des komplexen Konflikts abdecken. Es wird sich bis zum Jahresende hinziehen, bis wirkliche Verhandlungen beginnen können.

Dann wird es jedoch interessant: Der zweite Verhandlungsblock, bei dem es um die Beziehungen zwischen beiden Teilen Irlands geht, ist der Kernpunkt für eine Lösung des Konflikts. Sicher, beide Seiten beharren nach wie vor auf ihren angestammten Positionen: Sinn Féin sagt, die Partei gehe mit dem Ziel eines vereinigten Irland in die Verhandlungen, die Unionisten wollen dagegen den Status quo verteidigen. Doch die Rhetorik ist jeweils auf die eigene Basis gemünzt. Beide Seiten wissen, daß sie ihre Maximalforderungen nicht durchsetzen werden, sonst hätten sie sich gar nicht erst an den Runden Tisch zu setzen brauchen.

Der frühere US-Senator George Mitchell, der die Gespräche leitet, wird sein ganzes Verhandlungsgeschick brauchen, um eine Annäherung bei der Gretchenfrage zu erreichen: Welche Befugnisse sollen die zu schaffenden gesamtirischen Einrichtungen erhalten? Die Unionisten, das zeichnet sich bereits ab, werden sich dafür einsetzen, daß die Entscheidungsgewalt auf die Regionalverwaltungen übertragen wird, womit das gesamte Modell verwässert wäre. Sinn Féin und die gemäßigten katholischen Sozialdemokraten werden dagegen auf grenzübergreifende Einrichtungen mit Exekutivgewalt bestehen. Davon wird zumindest Sinn Féin auch nicht abrücken. Der Erfolg der Verhandlungen hängt davon ab, ob die Quadratur dieses Kreises gelingt. Ralf Sotscheck

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