■ Vorschlag
: Gelungene Auswahl: Minidramen von Paul Scheerbart im Theater o.N.

Seinen gemurxten Europäern hat Christoph Marthaler zu Weltruhm verholfen, jetzt wurden auch die Mückenphantasien und totgelachten Berliner wieder entdeckt: Das Theater o.N. – vor der Wende nannte sich die Ost-Off-Bühne Zinnober – zeigt eine zweistündige gelungene Auswahl von Miniaturdramen des Jahrhundertwende-Phantasten Paul Scheerbart in der Regie von Uta Hänel.

Schon im Eingangsstück „Das dumme Luder“ geht es um die Fortpflanzung auf dem Jupiter: eine Speichelorgie. 500 Mal in der Stunde müssen Mann und Frau zwei weiße Wände bespucken. Der Jupiterling Kefinska findet das lächerlich und wird darum als „dummes Luder“ beschimpft.

Beim Streit dabei sind der alte König Mossino (Ulrike Monnecke) und der Magistratsbeamte Passek. Melanie Florschütz zeigt ihn als Vorzeigebeschränkten, debattiert mit aufgeregtem Stottern, das sich zu spitzen Trompetenstößen auswächst. Das Dienstmädchen Lissamatsch (Uta Schulz) läßt dazu ihre riesigen Brüste hüpfen, während sie mit einem Plastikschlauch rhythmisch Spülwasser zu Schaum schlägt. Letztlich bleibt die Fortpflanzungsdebatte allerdings ungeklärt. Der Text spielt „in der dreizehnten Epoche der allgemeinen Begeisterung“, vielleicht liegt's daran.

Nummernartig werden insgesamt neun Stücke vorgetragen mit eigens komponierter Musik (von Jürgen Kurz): Geräuschfragmente, produziert mit Sägeblattgegeige und sonstigen Gegenständen, kommentieren die skurrilen Dramen und führen sie musikalisch fort. Die Kostüme (ebenfalls Uta Hänel) sind teilweise durch die jugendstiligen Illustrationen des Autors inspiriert, ein fragiler Leporello-Paravent mit Jalousien und Glasperlenvorhang dient ebenso als Kulisse wie angepenckte Kamele.

Letzteres braucht Hartmut Mechtel in „Julius Cäsar von Afrika“, den er als wunderbar prolligen Wat-denn-Wat-denn-Imperator zeigt. Vertan hingegen werden das launig in Schwyzerdütsch vorgetragene Stück „Der Direktor“ und eine zwar sehr lustig beginnende, aber dann ins Verkasperte abrutschende Improvisation zu „Kleopatra und das Krokodil“, die sich am Scheerbartschen Sprachwitz mißt und scheitert. Sei's drum. Der Rest ist kolossal. Caroline Roeder

„In der 13. Epoche der allgemeinen Begeisterung“ von Paul Scheerbart, wieder 17.–19.10., 20 Uhr, Theater o.N., Kollwitzstraße 53, Prenzlauer Berg