Drei Therapievorschläge für elf Kliniken

Für die notwendige Neustrukturierung der städtischen Krankenhäuser liegen konkurrierende Modelle vor. Der Paritätische Wohlfahrtsverband will gesundheitspolitische Innovation. Die ÖTV setzt auf bezirkliche Eigenbetriebe  ■ Von Julia Naumann und Dorothee Winden

In der Diagnose sind sich alle Beteiligten einig: Die städtischen Krankenhäuser leiden an einem „Reformstau“. „Die Kliniken sind nicht optimal organisiert“, sagt Günther Jonitz, der Vorsitzende der Ärztevertretung Marburger Bund. Lange Entscheidungswege, mangelhaftes Management und eine aufgeblähte Verwaltung seien die Hauptprobleme. Doch schon bei der Wahl der Therapie scheiden sich die Wege.

Derzeit liegen drei Modelle zur Umstrukturierung der städtischen Kliniken vor: Gesundheitsstaatssekretär Detlef Orwat (CDU) will die Kliniken zu gemeinnützigen GmbHs unter dem Dach einer Holding umwandeln. SPD und ÖTV favorisieren dagegen die Umwandlung der Krankenhäuser in Eigenbetriebe, die damit in die Verantwortung der Bezirke fallen. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV) will wie Orwat eine Holding, beabsichtigt aber das Gegenteil von dessen zentralistischer und hierarchischer Zielsetzung.

Das Modell der ÖTV wahrt vor allem die Interessen der Beschäftigten, läßt jedoch gesundheitspolitisch alles beim alten. Daher trifft es bei SPD-Gesundheitspolitikern auf Widerspruch. „Die Meinungsbildung in der SPD-Fraktion ist noch nicht abgeschlossen“, so Fraktionssprecher Peter Stadtmüller. Da das SPD- und das CDU- Modell diametral entgegengesetzt sind, dürfte eine Einigung schwierig werden. In den Koalitionsvereinbarungen ist die Umstrukturierung der Kliniken als ein Ziel dieser Legislaturperiode ohne Nennung von Einzelheiten festgelegt worden. Im Herbst wird sich das Abgeordnetenhaus damit befassen.

In diese machtpolitische Blockade stößt das Modell des DPWV, das einen Kauf der elf Kliniken vorsieht. Während diese Idee gesundheitspolitisch am innovativsten ist, müßten sich die Beschäftigten voraussichtlich von einigen Vorzügen des öffentlichen Dienstes verabschieden. Beim ÖTV- Modell jedoch bliebe für die Beschäftigten alles wie zuvor. Auch die Management-Strukturen veränderten sich nicht. „Sich am öffentlichen Dienst als Überlebensgarantie festzuhalten ist falsch“, kritisiert Ärztevertreter Jonitz. Nur wenn die Leistungsfähigkeit der Kliniken gesichert sei, könnten auch die Arbeitsplätze langfristig erhalten bleiben. Das ÖTV-Modell krankt außerdem daran, daß den Bezirken das finanzielle Risiko für die Krankenhausbetriebe übertragen werden würde. Sie müßten mögliche Defizite tragen und für Investitionen aufkommen.

Nach Einschätzung des DPWV- Geschäftsführers Hans-Jochen Brauns sind weniger Management- Mängel, sondern die unflexiblen Strukturen des öffentlichen Dienstes ein Hindernis für Reformen. Auch die starren Gehaltsstrukturen seien ein Problem. Im Falle einer Übernahme der elf Kliniken will Brauns statt BAT-Gehältern eine leistungsorientierte Entlohnung einführen. Der DPWV will Arbeitsplätze nicht wie im öffentlichen Dienst „künstlich“ erhalten. Jedoch spricht sich Brauns nicht grundsätzlich für betriebsbedingte Kündigungen aus. „Derzeitig erarbeiten wir Konzepte, wie neue Arbeitsplätze für diese Mitarbeiter geschaffen werden können.“ Einzelheiten wollte er noch nicht nennen.

Im Falle einer Übernahme durch den DPWV soll sich auch die Patientenversorgung verbessern. Krankenhausleistungen sollen sehr eng mit ambulanter Versorgung und Pflege „verzahnt“ werden. Auch Rehabilitationsmaßnahmen sollen eine größere Rolle spielen. „Das ist privatrechtlich viel eher möglich“, sagt Brauns. Die Patienten würden zukünftig immer höhere Erwartungen an ein Krankenhaus stellen. Wenn diese nicht erfüllt werden, würden sie zur Konkurrenz – einem privaten Träger – gehen. Brauns fordert, daß Ärzteschaft, Krankenhausverwaltung, Labore und Apotheken enger zusammenarbeiten sollen. Viele Arbeitsschritte könnten so verkürzt und langfristig Geld gespart werden. Eine Neuorganisierung der Kliniken setze jedoch voraus, daß „erheblich Geld investiert werden müsse“. Dazu sei das Land aber in absehbarer Zeit nicht in der Lage.

Der DPWV hofft, das nötige Kapital von der Landesbank Berlin (LBB) zu bekommen, die bereit ist, den Kauf zu finanzieren. „Der Dachverband ist nicht finanzkräftig genug“, so Brauns. Die Grundstücksbewertung ist noch nicht abgeschlossen, der Kaufpreis dürfte zwischen einer und zwei Milliarden Mark liegen. Ende Mai hatte Brauns mit der Landesbank Gespräche geführt, bei der es um die Beteiligung der Bank an den bestehenden Tochtergesellschaften des DPWV ging. In den Verhandlungen wurde dem DPWV überraschenderweise eröffnet, daß „die Bank an zukunftsweisenden Entwicklungen im Gesundheitsbereich interessiert“ sei, so Brauns. Die Bank könne sich vorstellen, „sich in Milliardenhöhe für solche Konzepte zu engagieren“.

Gerüchte, wonach die GFK – Gesellschaft für Krankenhausmanagement GmbH an dem Konzept beteiligt sei, bestätigten sich jedoch nicht. An der Gesellschaft, die marode Krankenhäuser aufkauft und umstrukturiert, ist auch der Heidelberger Bauunternehmer Roland Ernst beteiligt. Da das Konzept der Landesbank vorsieht, ungenutzte Immobilien der elf Kliniken zu verkaufen, war eine Beteiligung der GFK als Indiz gewertet worden, daß hier ein Ausverkauf stattfände. Sowohl DPWV-Chef Brauns als auch GFK-Geschäftsführer Günther Hanke erklärten gestern, daß die Firma nicht involviert sei.

Um Bedenken auszuräumen, daß mit dem Kauf der elf Kliniken ein Monopol des DPWV entstünde, schlägt Brauns eine Variante vor: Nach einer fünfjährigen Umstrukturierungs- und Orientierungsphase in der Obhut des Wohlfahrtsverbandes könnten die Krankenhäuser auch anderen Eigentümern übertragen werden.