Kein Fußball im TV

Die lautesten Protestierer gegen die Ausstrahlung von Fußball-WM-Spielen in Kirchs Pay-TV sind gar keine echten Fußballfans  ■ Von René Martens

Mit Fernsehfußball verhält es sich ähnlich wie mit Telefonsex: [rülps! d.sin] Fernsehfußball ist immer Fußball zweiter Klasse, unabhängig von der Qualität des Spiels oder der journalistischen Präsentation. Wer aus Fußball intellektuell, emotional und – als Spieler – auch körperlich etwas herausziehen will, der steht im Stadion oder auf dem Acker. Natürlich glotzt er gelegentlich und durchaus gern, aber er braucht das Fernsehen nicht.

Es können also keine Fußballfans sein, die lauthals protestieren, seitdem sich in der vergangenen Woche Vertreter der Länder und der Medienkonzerne Bertelsmann und Kirch darauf verständigt haben, daß der Großteil der Fußball- WM-Spiele in den Jahren 2002 und 2006 im Pay-TV gezeigt wird. Vielmehr sind es Fernsehfußball-Fans.

Einen gewissen Unterhaltungswert haben ihre Reaktionen allemal. „Weltweit sollten bekannte Sportler dagegen protestieren“, fordert ein Leser eines in Hamburg produzierten Fachblatts für gesundes Volksempfinden. Der nächste droht, er werde sich „vom Fußballsport zurückziehen“. Der SPD- Europaparlamentarier Helmut Kuhne ruft gar die von der Informationsfreiheitsberaubung bedrohten Fernsehfußball-Fans auf, ihren Landtagsabgeordneten zu drohen, „daß sie nicht wiedergewählt werden, wenn sie den Unsinn nicht korrigieren“.

Überhaupt schreien alle Politiker, außer Gerhard Mayer-Vorfelder, Zeter und Mordio, weil 2002 in Seoul vielleicht Paraguay gegen Kroatien spielt und der Durchschnittsdeutsche vom Live-Erlebnis ausgesperrt bleibt.

Pay-TV-Kritiker reden gern von einem Angriff auf die sogenannte Fußball-Grundversorgung – als ließe sich Fußball auf das reduzieren, was im Fernsehen läuft. Wirklich gefährdet wäre die „Grundversorgung“ zum Beispiel, wenn am Sonnabendnachmittag grundsätzlich keine Spiele mehr unterhalb der Bundesliga stattfinden dürfen, damit ganz Decoder- Deutschland Premiere guckt.

Offensichtlich muß man noch einmal betonen, daß die Fußball-WM alle vier Jahre stattfindet. Alle. Vier. Jahre. Darüber hinaus wird im Sommer gespielt, in einer Jahreszeit, in der sich gerüchteweise sogar Fernsehfußball-Fans manchmal außerhalb ihrer vier Wände aufhalten. Okay, wer jetzt schon weiß, daß er die Sommer 2002 und 2006 im Krankenhaus oder im Gefängnis verbringen muß, der hat vielleicht ein Recht, etwas sauer zu sein auf Leo Kirch.

Abgesehen davon war die Entwicklung doch absehbar: Für die letzten beiden Weltmeisterschaften sowie die kommende gingen die Rechte für jeweils 135 Millionen Mark über den Tisch. Leo Kirch dagegen zahlt für 2002 1,6 Milliarden, also das Zwölffache, und für 2006 noch einmal 200 Millionen Mark mehr. Diese Investitionen lohnen sich nur, wenn die Spiele im Pay-TV angeboten werden. Theoretisch.

Erstaunlich eigentlich nur, daß in der Berichterstattung der letzten Tage der Suffix „Mafia“ fehlte. Wenn schon Begriffe wie Kosovo- Albaner- oder Mülltrennungs-Mafia en vogue sind, warum redet dann keiner von Fußball-Rechte- Mafia? Außerdem ließe sich das zu „Frm“ oder „Furm“ abkürzen. Das klänge angemessen eklig.