: Raumsonde auf Bumerang-Kurs
Erfolgreicher Start von Cassini – doch in zwei Jahren wird die Saturnsonde mit ihrer Plutoniumfracht noch einmal gefährlich nah an der Erde vorbeirasen ■ Von Matthias Urbach
Die Plutoniumsonde ist auf ihrem Weg: Gestern früh zündete im Mondschein die Titan-IV-Rakete in Cape Canaveral, Florida, um 4.43 Uhr Ortszeit (10.43 Uhr unserer Zeit) und wuchtete die mit hochgiftigen Plutoniumbatterien versorgte Saturnsonde Cassini ins All. Nach Problemen am Montag, die zur Verschiebung des Countdowns führten, lief diesmal alles problemlos.
Doch damit sind die Kritiker der Mission nicht beruhigt, denn der gefährlichste Teil der Reise zum Saturn kommt erst noch: Um genug Tempo für die 1,4 Milliarden Kilometer lange Reise aufzunehmen, fliegt die Sonde im August 1999 noch einmal an der Erde vorbei und nutzt die Anziehungskraft, um Schwung zu holen. Bei diesem Manöver rast sie in nur 800 Kilometer Abstand mit 68.000 Stundenkilometern an unserem Planeten vorbei. Eine Kollision mit einem Meteoriten oder ein Computerfehler könnten sie vom Kurs abbringen und die Sonde wie einen Meteor zur Erde stürzen lassen – viele der Plutoniumkapseln würden verglühen. Insgesamt hat Cassini 32,7 Kilo Plutoniumoxid in seinen Batterien, das sind fast 29 Kilo reines Plutonium. Bei einem Absturz würde es sich fein über weite Landstriche verteilen. Nach Berechnung der Nasa würde das im schlimmsten Fall 120 Krebstote in 50 Jahren bedeuten. Die Wahrscheinlichkeit für diesen Unfall beziffert die Nasa mit 1 zu 1,3 Millionen – das ist hundertmal wahrscheinlicher, als den Jackpot im Lotto zu knacken.
Das klingt dennoch beruhigend. Kritiker aber mißtrauen der Nasa- Studie. „Da die Nasa noch nie einen umfassenden Test für ein realistisches Unfallszenario durchgeführt hat“, schimpft Michio Kaku, Physikprofessor der City University in New York, „dachte sie sich einfach Zahlen aus, um das Fehlen von Fakten nicht zugeben zu müssen.“ Es sei „schockierend“, wie sehr die Studie „gespickt“ sei „mit vagen Annahmen und heruntergespielten Risiken“. So ziehe die Nasa-Studie beispielsweise Computerfehler und menschliches Versagen gar nicht in Betracht. Kaku hält daher einen Unfall im August 1999 für viel wahrscheinlicher und rechnet im schlimmsten Fall mit 200.000 Toten, Ernest Sternberg von der Medizinhochschule in Pittsburgh fürchtet sogar Millionen von Krebstoten, falls die Sonde über dichtbesiedeltem Gebiet niedergeht.
„Es ist wunderschön“, sagte dagegen Cassini-Manager Charles Kohlhase zum Start, „wir mußten so lange darauf warten.“ Nach acht Jahren Planung startete mit Cassini die vorerst letzte große interplanetarische Nasa-Raumsonde. Mit 5,9 Milliarden Mark Entwicklungskosten ist sie die teuerste aller Zeiten. Gekürzte Budgets werden der Nasa derart ehrgeizige Projekte so bald nicht wieder gestatten. Unter anderem trägt Cassini die von der europäischen Raumfahrtagentur ESA entwickelte Tochtersonde Huygens bei sich, die nach Ankunft im Orbit 2004 auf dem größten Saturnmond Titan niedergehen soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen