Kongo-Brazzaville erlebt den Machtwechsel: Die Rebellen des früheren Präsidenten Denis Sassou-Nguesso haben die Hauptstadt erobert und kündigen nun die "Befreiung des gesamten Staatsgebiets" an. Für das Land bedeutet dies wenig Neues. Eine

Kongo-Brazzaville erlebt den Machtwechsel: Die Rebellen des früheren Präsidenten Denis Sassou-Nguesso haben die Hauptstadt erobert und kündigen nun die „Befreiung des gesamten Staatsgebiets“ an. Für das Land bedeutet dies wenig Neues. Eine Politiker-Clique löst die andere ab. In Afrika jedoch ist eine neue Regionalmacht entstanden: Angola

Ein Diktator verjagt den andern

Der Bürgerkrieg in Kongo- Brazzaville ist so gut wie entschieden. Die Milizen des Oppositionsführers und früheren Militärdiktators Denis Sassou-Nguesso haben die Armee des bisherigen Präsidenten Pascal Lissouba in die Flucht geschlagen. Nachdem Sassou-Nguessos politische Bewegung FDU am Dienstag die Einnahme der Hauptstadt Brazzaville proklamierte und die „Befreiung des gesamten Staatsgebiets“ ankündigte, reklamierte die FDU gestern auch die Kontrolle über Pointe-Noire, die ökonomisch wichtigste Stadt des Landes im Ölfördergebiet am Atlantischen Ozean.

Vier Monate haben Sassou- Nguesso und Lissouba gebraucht, um auf militärischem Wege die Frage zu klären, wer von ihnen der Mächtigere ist. Die Kämpfe begannen am 5. Juni mit einem Angriff von Lissoubas Armee auf Sassou- Nguessos festungsartiges Hauptquartier in Brazzaville. Seitdem ist die Hauptstadt Brazzaville von beiden Seiten in Schutt und Asche gebombt worden. Die meisten der 800.000 Bewohner sind geflohen, 4.000 bis 10.000 Menschen starben. Der Präsident wie auch sein Gegenspieler zogen offenbar die Politik der verbrannten Erde dem Risiko einer regulären Präsidentschaftswahl vor.

Eine Wahl hätte nach der 1991 eingeführten parlamentarischen Demokratie Ende Juli 1997 stattfinden müssen. Aus den ersten freien Wahlen im Jahre 1992 war Pascal Lissouba als Sieger hervorgegangen. Dieser aber hat auf die Absicherung seiner Macht durch Milizen gesetzt, anstatt die Entstehung einer zivilen Demokratie im Kongo zu fördern.

„Circa 80 Prozent der einflußreichen Führungskräfte in der Regierung wie in der Opposition im Kongo entstammen dem alten Herrschaftssystem“, erklärt der kongolesische Journalist Franklin Nkangou. „Ungeachtet der heutigen Differenzen arbeiteten die mächtigen Männer der Republik einträchtig zusammen, bevor sie sich zerstritten und das ganze Volk zum Opfer ihrer Feindseligkeit wurde. Daraus resultierende mittelalterliche Formen von Gewalt unterziehen das Land einer grausamen Selbstverstümmelung.“

Nun kehrt Sassou-Nguesso, der Kongo-Brazzaville von 1979 bis 1992 diktatorisch als sozialistische „Volksrepublik“ regierte und dann das Präsidentenamt an einen gewählten Nachfolger übergab, als Rebellenchef an die Macht zurück. In den nächsten Tagen will er siegreich in den Präsidentenpalast von Brazzaville einziehen. Allerdings wird die regionale Teilung des Landes unter ihm genauso real sein wie sie es unter Lissouba war. Sassou-Nguessos Machtbasis ist der dünnbesiedelte Norden des Landes, während Lissoubas Anhänger vor allem im wirtschaftlich bedeutenden Süden stark vertreten sind.

Seinen Sieg hat Sassou-Nguesso vor allem der Intervention Angolas zu verdanken, dessen ebenfalls ehemals sozialistischer Regierung er aus alten Zeiten freundschaftlich verbunden ist. Soldaten aus Angola überquerten am Wochenende die Grenze zwischen der angolanischen Exklave Cabinda und der Republik Kongo und fielen damit den in Brazzaville kämpfenden Truppen Lissoubas in den Rücken. Das entschied den Krieg. Nicht Sassou-Nguessos Miliz – die nur die Nordhälfte des Landes kontrolliert –, sondern Angolas Armee besetzte unabhängigen Quellen zufolge gestern Pointe-Noire und möglicherweise auch andere inzwischen von Sassou-Nguesso reklamierte Städte wie Dolisie.

Angola erweist sich damit als die eigentliche Regionalmacht in diesem Teil Afrikas. Erst war Angolas Rolle im Bürgerkrieg von Zaire entscheidend – angolanisches Militär half Laurent Kabila bei der Einnahme Kinshasas im Mai. Nun installiert die angolanische Regierung zum zweiten Mal in einem Nachbarland ein ihr genehmes Regime. Für Kabila ist der Sieg Sassou-Nguessos indes eine Blamage, hat er sich doch zuletzt heftig auf Seiten Lissoubas engagiert. Gegenstandslos wird nun vorerst auch der neue UN-Plan einer Friedenstruppe für Kongo- Brazzaville mit bis zu 5.000 Mann. Dies, so UN-Generalsekretär Kofi Annan noch am Dienstag, sei geboten „angesichts der Beteiligung der Nachbarländer“ am Konflikt.

Doch Sassou-Nguesso nannte eine UN-Intervention gestern „überflüssig“, und ein Mitarbeiter der französischen Botschaft in Brazzaville meinte gegenüber der taz, Annans Vorschlag „hat mit der Realität nichts zu tun“. Wahrscheinlicher ist eine französische Militärintervention, um die im Ölsektor um Pointe-Noire arbeitenden Franzosen zu evakuieren. Die französischen Truppen in Gabun und Tschad wurden gestern mittag in Alarmbereitschaft versetzt. Da Sassou-Nguesso als Freund Frankreichs gilt, dürfte ihn dies nicht stören. Dominic Johnson