Eine Heimschlappe

■ Tennis: Michael Stich scheidet lamentierend gegen Wayne Ferreira aus / Rosset besiegt Oliver Gross

„Und tschüss“ heißt eine neue mäßig komische Comedy-Serie auf RTL, in der Michael Stichs Ehefrau Jessica Stockmann-Stich eine Tochter aus besserem Hause spielen darf, die sich mit einer Horde von Autoschraubern herumtreibt. „Und tschüss“ mußte auch ihr tennisspielender Ehemann gestern den German Open am Hamburger Rothenbaum sagen. 5:7 und 1:6 verlor der deutsche Weltranglisten-Achte gegen den Südafrikaner Wayne Ferreira – dem er schon am Sonntag bei den Bayrischen Meisterschaften in München unterlag.

„Ich muß mehr Geduld haben als Wayne“, hatte sich Stich vor dem Spiel vorgenommen. Ein Unterfangen, das allerdings nur bis zum Spielstand von 4:3 gelang, als Ferreira den Elmshorner zum ersten Mal breakte, Stich ein wenig die Contenance verlor und ein herzhaftes „Scheiße“ über den Centre Court brüllte. Hernach glückte ihm zwar Rebreak. Doch die nötige Gelassenheit auch nach längeren Ballwechseln den Punkt zu machen, fand nicht zu ihm zurück. Statt dessen erinnerte sich der Elmshorner daran, daß er quasi ein Heimspiel hat, sprich: das Publikum es einem wie ihm nicht übelnimmt, hinter jedem brillant oder knapp an der Auslinie geschlagenen Ball des Gegners eine Regelwidrigkeit zu vermuten. Stichtypisches Lamentieren und andauernd den Schiedsrichter die Entscheidung der Linienrichter überprüfen lassen, wurde also nicht mit dem andernorts üblichen Pfeiffkonzert bestraft. Aber auch dieser Vorteil half dem Mann wenig, der von seinen 15 Turniersiegen sechs in Deutschland erringen konnte. Mit zunehmender Spieldauer wurde Michael Stichs Blick immer verzweifelter und die Gewißheit immer größer, daß er an diesem Nachmittag als Verlierer den Platz verlassen wird. Bei seinen schlecht vorbereiteten Netzangriffen erwies sich mal das Netz um etwa 10 Zentimeter zu hoch, mal die Lauffreudigkeit von Wayne Ferreira als zu erstaunlich oder die Präzision der Ferreiraschen Passierbälle als zu unglaublich. Michael Stich konnte im zweiten Satz einfach nicht mehr ernsthaft Widerstand leisten. Nach 1:15 Stunden verwandelte Ferreira seinen zweiten Matchball.

Während der Elmshorner mit der Topf-Frisur mit seiner Leistung überhaupt nicht zufrieden sein konnte, freute sich Oliver Gross über eine „gute Woche“. Zwar schied der 21jährige Münchner mit 6:2, 4:6 und 2:6 gegen den Schweizer Marc Rosset aus, aber sein Spiel offenbarte, daß er als Sandplatz-Spieler in der Lage ist, die Großkopferten der Weltrangliste ein wenig zu ärgern – so wie Wayne Ferreira Michael Stich.

Max Schulz