Profis wetten nicht an offiziellen Schaltern

■ Beim Greyhound-Rennen in London: Wo die Hunde für eine paar Pfund laufen lernen

Steht man oben an der Bar, das Bitter in der Hand, und guckt durch die Glasscheibe runter in die Arena, dann sieht alles so aus wie auf einer richtigen Rennbahn: das ovale Geläuf, die Wettschalter, Rennzeitungen werden gelesen. Eine Rennbahn, eine Nummer zu klein geraten: hier im Norden Londons, in Walthamstow, laufen nicht Pferde um Siegprämien, sondern Windhunde. 80 Pfund bekommt der Sieger.

Langsam geht die Sonne unter, die Ränge füllen sich, die Schlangen vor den Wettschaltern werden länger. Vor jedem Rennen werden die fünf Konkurrenten einmal um die Bahn geführt. Der ist doch viel zu dünn. Sieht der nicht zu nervös aus? Wenn die Greyhounds in ihre kleinen Startboxen gesperrt sind, liegt nervöse Stille über der Bahn. Dann kann man manchmal sogar das Winseln der Hunde hören, bevor der mit Witterung versehene Plüschhase um die Bahn geschickt wird, die Türen aufklappen und die Vierbeiner losflitzen.

Die Greyhounds, trainiert von Profis, laufen über 80 Stundenkilometer, sie sind reine Sprinter. Auf dem halben Kilometer, den man ihnen zumutet, sind sie schneller als Pferde. Nur Geparden sind schneller.

Wenn die Hunde in die letzte Kurve gehen, steigert sich das hektische Murmeln, wird noch schnell ein Zug von der Zigarette genommen, kreischen Anfeuerungsrufe durchs Rund. Kaum sind die Greyhounds durchs Ziel gehuscht, flattert die Mehrzahl der Wettzettel zu Boden, ein kleiner Rest wartet mehr oder weniger gespannt auf die Lautsprecherdurchsage der Jury, erst dann kann man seinen Gewinn abholen. Die Profis wetten sowieso nicht an den offiziellen Schaltern, sondern setzen bei dem halben Dutzend Buchmacher, die ihre fliegenden Wettbüros direkt am Rande der Bahn aufgebaut haben. In irrwitziger Geschwindigkeit werden die Quoten auf den Schiefertafeln abgewischt und neu festgelegt. Der Kompagnon des Buchmachers steht mit identischer Gerätschaft auf der gegenüberliegenden Seite der Bahn, winkend klärt man die Quoten miteinander ab. Um jeden Buchmacher herum steht ein kleiner Kreis meist gelangweilt dreinblickender, älterer Herrschaften. Man verständigt sich fast ausnahmslos über Handzeichen, und nach jedem Rennen wechseln kleine Bündel aus Geldscheinen den Besitzer.

Nach dem absoluten Tiefpunkt in den 80er Jahren mit Dopingskandalen, rückläufigen Wettumsätzen und ausbleibenden Zuschauern hat sich die Branche in den letzten Jahren etwas erholt. Doch von den goldenen Zeiten ist man wohl für immer entfernt: Nach dem Krieg gab es in Großbritannien noch 250 Bahnen für Hunderennen. Übriggeblieben ist nicht einmal ein Drittel. So wollen und müssen die Veranstalter weg von ihrem Image, man will nicht mehr nur dem kleinen Mann sein Feierabendvergnügen bieten. Aber noch, und das wird wohl auch so bleiben, ist man mit einem Mindesteinsatz von fünf Pence dabei. Thomas Winkler

Die Renntage und Adressen der verschiedenen Londoner Bahnen findet man am einfachsten im Stadtmagazin „Time Out“