Steilvorlage für den politischen Gegner

■ Die Bündnisgrünen streiten übers Wahlprogramm

Der Laie staunt, und nur der Grüne wundert sich nicht, daß die Bündnisgrünen es fertigbringen, ihr eigenes Wahlprogramm derart in Mißkredit zu bringen. War es zunächst Joschka Fischer, der seiner Partei die Regierungsfähigkeit absprach, folgen nun die hessischen Grünen mit einem teilweise polemischen und beleidigenden Brief an den Bundesvorstand.

Daß es sich bei dem Programm um einen ersten Entwurf um eine in weiten Teilen relativ konkret beschriebene Alternative zu den anderen Parteien handelt, ist darüber in den Hintergrund geraten. Bei den Grünen ist die Nervosität zu spüren, so dicht wie nie zuvor vor einer Regierungsbeteiligung zu stehen. Fischer schäumt, weil er befürchtet, die Grünen könnten sich ihre Chance durch allzuweit vom Mainstream befindliche Positionen verscherzen. Und die bereits durch ihr Regierungsdasein verwöhnten hessischen Grünen können sich wohl nicht mehr vorstellen, den Machterhalt durch unliebsame Positionen aufs Spiel zu setzen.

Die Kritiker schießen über das Ziel hinaus. Im Hauruckverfahren wollen sie die Axt an die Wurzeln ihrer Partei legen. Und dazu gehören nun mal, zumindest langfristig gesehen, die Abschaffung der Bundeswehr und der Ausstieg aus der Nato. Das mag man beklagen, aber dann muß man die eigene Geschichte kritisieren und nicht den Bundesvorstand, der getreulich die alte Beschlußlage wiederholt.

Die Kritiker lassen zudem außer acht, daß sie sich nur auf einen Ausschnitt des Wahlprogramms konzentrieren, der nicht einmal wahlentscheidende Bedeutung hat. Ihre maßlos vorgetragene öffentliche Kritik führt angesichts einer auf Streit programmierten Medienlandschaft dazu, daß die anderen – positiven – Aspekte vernachlässigt werden. Doch auch der Parteivorstand hat Fehler gemacht. Seit Montag pocht er darauf, daß der Nato-Ausstieg lediglich langfristig geplant sei. Hätte das nicht deutlicher in das Programm hineingeschrieben werden können? Außerdem hätten die Experten der Fraktion besser eingebunden werden müssen, um der Kritik an den Ungereimtheiten des Programms zu begegnen.

Es scheint mittlerweile so, als ob die Grünen lediglich ein außenpolitisches Manifest vorgelegt hätten mit den Einsprengseln Benzinsteuer von knapp fünf Mark und Tempolimit. Die politischen Gegner freuen sich, von den Grünen nahezu ungebremst. Markus Franz