Milch und Kunsthonig in Mitte

Die ehemaligen Modeproduzenten Rolf und Erika Hoffmann haben die Sophie-Gips-Höfe saniert. Für exklusives Gewerbe, für sich selbst und als Bleibe für ihre Kunstsammlung  ■ Von Ulrike Steglich

„Es wirkt ganz selbstverständlich“, findet Rolf Hoffmann. Und: „Wir haben es so gemacht, daß es harmlos aussieht.“ Es – das sind die Sophie-Gips-Höfe, in denen Rolf und Erika Hoffmann im September ihre private Kunstsammlung öffneten. Harmlos und selbstverständlich – dezentes Understatement eines sonoren Kunstmäzens, verzerrte Wahrnehmung oder schlicht eine völlig andere Welt?

Rolf Hoffmann sitzt vor dem Doppelporträt, das Andy Warhol 1980 von Hoffmann und dessen Frau Erika gemalt hat, und ist ganz weltläufiger, abgeklärter Gentleman. Über 30 Jahre lang betrieb er zusammen mit Erika Hoffmann – studierte Kunsthistorikerin – „in unserem ersten Leben“ eine Modefirma. Da die drei Hoffmann- Kinder aber nicht ins Unternehmen einsteigen wollten, wurde es Ende der 80er verkauft, das Ehepaar zog 1988 nach Köln und widmete sich verstärkt der Kunst, vorzugsweise der zeitgenössischen.

Der Mauerfall war für den in der „SBZ“ Geborenen auch eine kulturhistorische Zäsur: „Europa würde bald wieder ein bis an den Ural reichender Kulturraum werden.“ In diesem riesigen Kulturraum schauten sich die Hoffmanns zunächst Dresden aus, um neben dem Zwinger eine private Stiftung „Kunsthalle Dresden“ zu errichten. Drei Jahre später, 1993, war das „sensationelle Projekt“ gescheitert. Am Widerstand von Kurt Biedenkopf, sagt Hoffmann.

Nun sollte es Berlin sein, und zwar die Mitte, von der er nicht erwartet hätte, daß sie sich so schnell beleben würde. Hier stießen die Hoffmanns schließlich auf das Ensemble zwischen Sophien- und Gipsstraße mitten in der Spandauer Vorstadt. „Eine ganz besondere Lage“, weiß auch Hoffmann. Und ein „marodes Gemäuer, das keiner haben wollte“, auf das aber immerhin, wie er andererseits berichtet, 34 Bewerber bei der Treuhand kamen.

Als jemand, der sich mit Kunst beschäftigt, weiß er, daß die Kunst im Weglassen besteht. So fehlt bei seiner Geschichte auch jenes Detail, daß er mit der Bewerbung kaum eine Chance gehabt hätte, wäre ihm nicht das Konzept von einem jungen, mit der Gegend und den entscheidenden Institutionen vertrauten Projektentwickler erarbeitet worden, der sich später mit Hoffmann überwarf und ausstieg.

Die Sophie-Gips-Höfe: Auf den ersten Blick vorbildlich „behutsam“ sanierte Fabrikgebäude, ein zurückhaltender Neubau, drei Altbauten an der Sophienstraße schließen das Ensemble. Ein Weg führt nun durch die Höfe von der Gips- in die Sophienstraße. „Zu vermieten – Wohnen im exklusiven Neubau“ wirbt eine Maklerfirma an der Fassade. „Exklusiv“ ist ein passendes Wort für das Ensemble. Alles atmet vornehme, distinguierte Zurückhaltung. Nicht umsonst gab es keine breit angekündigte Eröffnungsparty, keine große Berichterstattung wie bei den Hackeschen Höfen. Das „Ereignis“ – die Öffnung der Sophie- Gips-Höfe – fand in feinsinnigen Feuilletons statt, nicht auf profanen Lokalseiten. Waren die Hackeschen Höfe noch das Spektakel, so sind die Sophie-Gips-Höfe das dezente „must“ für Kenner.

Auf den zweiten Blick: Zwischen Edelgastronomie, Loftwohnungen, Galerien, Radio- und TV- Gesellschaften gibt es Kunst, Kunst, Kunst. Kunst ist das blaue, gelbe und rote Neonlicht in den Durchgängen, unter dem man sich fühlt wie unter einem Scanner. Kunst sind die von oben bis unten an eine Rückwand geschriebenen Gegensatzpaare wie „glaubwürdig oder unglaubwürdig. Privilegiert oder chancenlos. Privat oder öffentlich“. Kunst ist schließlich der kryptische Spruch oben am Fabrikgebäude „Milk and honey taken far far away – Milch und Honig weit weit weggebracht“. Darüber glänzen die Scheiben des aufgesetzten gläsernen Dachgeschosses. Auf 1.800 Quadratmetern über zwei Etagen lebt das Ehepaar Hoffmann inmitten der gesammelten Kunst. Neben all der etwas zu nachdrücklich vor sich hergetragenen kühlen Noblesse atmet anderes eher die Sehnsucht nach der Idylle: der Springbrunnen, das Bänkchen, die Zäunchen, die Pflanzkübel, die Pergola, und irgendwo da oben haben sich Hoffmanns einen Swimmingpool hingepflanzt.

Signalisiert wird Öffentlichkeit. Eine Öffentlichkeit, die allerdings nicht nur zeitliche Grenzen hat (von 9 bis 22 Uhr darf geschaut werden), sondern der ein der Exklusivität angemessenes Sicherheitsbedürfnis zur Kenntnis gegeben wird: Sogenannte „Scanscapes“ über den Wechselsprechanlagen, elektronische Linsen, bieten den Neumietern nunmehr auch die optische Kontrolle, wer da bei ihnen Einlaß begehrt.

„Wir wollten dem Kiez etwas Besonderes bieten“, sagt Rolf Hoffmann. Das ist zweifellos geglückt. Zwischen den „Kunst-Werken“ in der Auguststraße einerseits, die im nächsten Jahr mit einem Kunstspektakel, der „Berlin Biennale“, aufwarten werden, und den Hackeschen Höfen andererseits ist mit den Hoffmannschen Sophie-Gips-Höfen ganz unauffällig eine neue Qualität eingezogen: die Kunstszene der oberen Preisklasse, die wie englische Aristokraten die Schlösser ihre Kunstschätze dem Publikum zeigen.

„Man spürt subkutan, daß etwas Neues passiert, daß alles Alte nicht mehr stimmt“, sinniert der 63jährige über Ostberlin und Mitte. Und „Deutschland kommt wieder in die Balance“. Und setzt mit luxuriöser Gelassenheit gleich noch eine Maxime nach: „Everything is people“.