„Verrückt bleiben, verliebt bleiben“von Elfi Mikesch

Hin und zurück und noch einmal. Bloß nicht aussteigen, bloß nicht ankommen. Signale, Weichen, ein Stück Potsdamer Platz, dann die Spitze des Alex im Seitenfenster. Und immer wieder Gleise, die wie silberne Adern eines monströsen Stahlorganismus vorbeiziehen.

Thorsten Ricardo Engelholz hat ein geradezu leidenschaftliches Verhältnis zur U-Bahn. Und wenn er nicht gerade von A nach B fährt, legt er wenigstens seinen Kopf hin und wieder auf ein Rollbrett. Die U-Bahn – er pflegt eine besonders innige Verbindung zur Linie 8– sei immer treu. „Sie hat keinen anderen Mann“, weiß er.

Thorsten hockt in ihrem großen Bauch. Jeden Tag. Er synchronisiert die Zugansagen und assoziiert sich in das Universum der Dinge und der gefundenen Zusammenhänge.

Jeder Satz, den ein Passant eher wegwirft als ausspricht, wird von ihm umarmt und in Spiralen zum Großenganzen ausgeschickt. Thorstens Welterleben hat die Konventionen logischer Paradigmen längst hinter sich gelassen. Er gilt als geistig behindert. Seine Eltern sperrten ihn jahrelang in eine Besenkammer. Um nicht zu verdursten, trank er seine Pisse. Um nicht gänzlich untätig zu bleiben, verhauten ihn seine Eltern. Dann steckten sie ihn in die Psychiatrie.

Elfi Mikesch hat in ihrem Dokumentarfilm Verrückt bleiben, verliebt bleiben den heute 31jährigen behutsam, aber dicht mit der Kamera begleitet: seine Theaterproben zu Woyzeck, seine gezeichneten Städtebauvisionen, seine gemalten Freiheitsträume und seine U-Bahn-Romanze. Ein sinnlicher, schöner Film ist daraus geworden, der die Frage nach dem Irrsinn ganz dem poetischen Kraftwerk des Porträtierten überstellt. B. Glombitza

Premiere: heute um 19.15 Uhr im Metropolis. Elfi Mikesch ist anwesend.