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■ VorschlagRoland Schefferski versteckt „Ausgelöschte Bilder“

Das Museum, schreibt der Philosoph und Kunsttheoretiker Boris Groys, sei „die Maschine, die aus Nichtkunst Kunst macht“. Wie der Umkehrschluß dieses Axioms funktioniert, läßt sich derzeit in einer Ausstellung des 41jährigen Berliner Künstlers Roland Schefferski überprüfen. Wenn im Museum aus Nichtkunst Kunst wird, wird dann in einem Trödelladen aus Kunst Nichtkunst? Roland Schefferski präsentiert seine „Ausgelöschten Bilder“ in einem Laden in Kreuzberg, in dem normalerweise restaurierte Möbel, alte Bücher und sonstige Überbleibsel der verblichenen DDR verkauft werden. Insgesamt 16 kleinere Arbeiten hat der in Kattowitz geborene, seit 1984 in Berlin lebende Künstler in dem Geschäft plaziert, man könnte auch sagen: versteckt. Keines der üblichen Schildchen weist auf sie hin, es gibt keinen Katalog, keine Erklärungen. Die Ausstellungsbesucher müssen die Werke selber entdecken.

In einem der Schränke steht ein Glasbehälter, wie er in Chemielabors Verwendung findet. Darin liegen die Scherben einer zerschlagenen Kachel, darauf projiziert erkennt man ein altes Familienfoto. Der Behälter ist zu drei Vierteln mit Wasser gefüllt – Titel: „Eine Familie“. Oder die Arbeit „Zehn Gebote“: Unter einem gläsernen Aufsatz, der aussieht wie eine sehr hohe, sehr schmale Käseglocke, sind fein säuberlich zehn mit Marx-Porträts bedruckte Stofftücher gestapelt. Sie fallen in dem (zweifellos an sich schon bemerkenswerten) Ambiente von David Kirbys Ladenwerkstatt zunächst nicht weiter auf. Es dauert eine Weile, bis die künstlerischen Eingriffe deutlich werden und Schefferskis Generalthema sich offenbart: die Paradoxien und Irrläufe der Geschichte, die Überlagerung und Auslöschung von privaten Lebensentwürfen durch offiziell propagierte.

Das kommt nicht von ungefähr: Schefferskis „Ausgelöschte Bilder“ sind der Auftakt zum „Faserstoff-Projekt“, einer von Margit Mioska, Christoph Tannert und Peter Lang organisierten Ausstellungsreihe, die in den kommenden zwei Jahren auf historisch kontaminiertem Gelände stattfinden wird: in der ehemaligen Faserstoff- Fabrik in Fürstenberg, in der zuerst Tausende ZwangsarbeiterInnen aus dem nahen KZ Ravensbrück geschunden wurden und wo später, nach dem Krieg, die sowjetische Armee ihre Panzer reparieren ließ. Ulrich Clewing

Roland Schefferski: „Ausgelöschte Bilder“. Zu sehen in der Graefestraße 14, Di bis Fr 11 bis 18.30 Uhr, Sa 10 bis 14 Uhr

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