Außen stachelig, innen rund

■ „KX-Kunst auf Kampnagel“feiert seinen zehnten Geburtstag. Dabei ist es ein Kind aus dem Geist der Siebziger Jahre.

Den Schlüssel zum ersten Stock des Verwaltungsbaus auf Kampnagel bekamen die Erben der „Freien Vereinigung bildender Künstler“vom Kultursenator und Bürgermeister Ingo von Münch im Herbst 1987 übergeben. Zehn Jahre wird die selbstverwaltete Ausstellungsinitiative „KX-Kunst auf Kampnagel“jetzt alt. Das zum Markenzeichen gewordene Logo verbirgt nichts Erklärbares. Das X ist kein Zahlzeichen, eher ein Kreuz oder ein vages Symbol für Zukunft. KX gehört inzwischen so selbstverständlich zum Hamburger Kulturleben, daß dem Jubiläum leicht eine höhere Zahl zugetraut wird. Tatsächlich ist KX im Grunde ein Kind aus dem Geist der Siebziger Jahre.

Man konfrontierte die Politik mit klaren Forderungen nach mehr Raum für die Kunst, verhandelte mit der Kulturbehörde und begann mit Ausstellungen, noch bevor für Kampnagel als Ganzes eine Form gefunden war – und Jahre vor der Einrichtung der prächtigen Ausstellungshalle K3. Lange kunstpolitische Diskussionen kamen selbst in Hamburg zu Ergebnissen, und neue Kunsträume taten sich auf. Auf der anderen Seite der Barmbecker Straße existierten bereits die Produzentengalerie und andere Künstlergalerien wie „heimart“.

Seitdem haben in der offenen Struktur der Organisation (KX ist erst seit kurzem ein ordentlicher Verein) bis heute nahezu sechzig Künstler konstruktiv an über 120 Veranstaltungen mitgearbeitet. Das ist keine kleine Clique, das ist auch für Hamburg schon eine prägende Institution.

Seit letztes Jahr ein neuer Außeneingang gebaut wurde, Athanasios Pallas die Räume architektonisch neu definiert hat und Stefan Schildberg seine Flughafen-Bar zum Treffpunkt machte, sind die modernen Zeiten in KX eingezogen, und die bis dahin verwinkelten Büroräume mutierten zur ordentlichen Galerie. Zugleich hat sich die Betreibergruppe durch neue Mitglieder verjüngt: Selbstorganisation bleibt immer aktuell.

Nach wie vor versucht KX nicht, Tendenzen zu setzen oder angesagten Moden nachzulaufen. Hier zeigt das Kunstprogramm nicht Linie, sondern Breite: Neue Musik und Skulptur, Malerei und Multimedia-Installationen, Performance und Zeichnung, Simulation und Analyse, letztere auch gerne an der Bar. Austausch unter den Künstlern und Disziplinen sowie mit anderen Künstlerinitiativen in Deutschland, und darüber hinaus ist ein Kernpunkt aller Non-Profit-Organisationen im Kunstbereich. So gilt die nächste Ausstellung der Amsterdamer Szene. 1998 behandelt ein Projekt aus London die Sprachverwirrung anhand des Themas Turm zu Babel. Atemobjekte sorgen für kontemplative Entschleunigung bei der Vorbereitung auf die Jahrtausendwende.

Die Einladungskarte für die Jubiläumsfeier heute abend ziert eine Kastanie: Außen stachelig, und zum Kern vorgedrungen, innen eine runde Sache. So soll es sein mit der Kunst. Hajo Schiff

Jubiläumsfeier: heute ab 20 Uhr; Ausstellung: Mi-Sa, 16-20 Uhr, So 14-18 Uhr, bis 1. November