■ Die Anderen: Der "Kölner Stadtanzeiger", die "Süddeutsche Zeitung" und die "Neue Ruhr-Zeitung" zur Lage der SPD / "Liberation" zu den Grünen
Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ kommentiert die Lage der SPD: Wer in das Innenleben der deutschen Sozialdemokratie blickt, findet eine Mischung aus Aufbruch und Verzagtheit vor. Erkennbar ist die Suche nach neuen Perspektiven – Stichworte: ja zur modernen Technik, zur Bio- und Gentechnologie, Absage an das ökonomische Nullwachstum, das Erhard Eppler einst predigte. Zwar gibt es Bereitschaft, in unausweichlichen Veränderungen auch Gestaltungschancen zu sehen, aber die neuen Ansätze formen sich noch nicht zu einem anschaulichen Projekt. Der inhaltlichen Spagatsituation entspricht die personelle: Lafontaine und Schröder grüßen verschiedene Milieus der Gesellschaft. Und das ist offenkundig beabsichtigt in dieser Vorwahlkampfsituation. Aber je näher der Wahltermin rückt, um so dringlicher wird die Öffentlichkeit den Wunsch äußern, die SPD möge sich klar und eindeutig äußern.
Die „Süddeutsche Zeitung“ beurteilt die Lage der SPD ähnlich zwiespältig: Oskar Lafontaine setzt auf einen Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik unter europäischen Vorzeichen: Pragmatisch in Wirtschaftsfragen wie Tony Blair und sozial empfindsam wie Lionel Jospin will die SPD sein – genauer: das Duo Lafontaine und Gerhard Schröder. Die Wirtschaftspolitik einer SPD-geführten Bundesregierung ist allerdings nur schemenhaft zu erkennen.
Die „Neue Ruhr Zeitung“ aus Essen schreibt zum gleichen Thema: Die SPD verspricht keine grundsätzlich andere Politik als Union und FDP. Sie will sie allerdings besser und sozial gerechter umsetzen. Das ist durchaus ein wesentlicher Unterschied und ein erfolgversprechender Ansatz; wir leben in pragmatischen Zeiten. Aber wenn nicht mehr die großen Gegensätze die Gesellschaft bewegen, dann kommt es um so mehr auf die Personen an. Sie sind es, die einem Programm erst die Glaubwürdigkeit verleihen – oder nehmen. Tatsächlich wirkt es sich zunehmend kontraproduktiv aus, daß die SPD die Kanzlerfrage offen hält. Es verunsichert nicht zuletzt den natürlichen Bündnispartner, also die Grünen.
Die Pariser „Libération“ beschäftigt sich mit den Grünen: Das grüne Programm ist kein solches Schreckgespenst, für das es viele halten wollen. Die Forderung nach Abschaffung des Wehrdienstes ist etwa in Frankreich von einem konservativen Präsidenten durchgesetzt worden. Zudem zeugt dieses Programm auch vom „weiser werden“ der Grünen: es sagt ja zur sozialen Marktwirtschaft und zum Euro. Eine Reihe von Forderungen wie die Auflösung der Nato standen auch schon in dem für die Wahlen 1994 beschlossenen Programm. Die Neuigkeit ist eher, daß die Realos hofften, das Programm von solchen Vorschlägen zu säubern, die kaum vereinbar mit dem von ihnen erhofften Posten des Außenministers sind.
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