Zahl der Biotechnikfirmen in einem Jahr verdoppelt

■ Viel Jubel, doch die Aussteller von „Europas einziger Biotechnikmesse“ passen in eine Halle

Hannover (taz) – Als eine Schau der „Schlüsseltechnologie an der Schwelle des 3. Jahrtausends“, so preist die hannoversche Messe AG ihre diesjährige „Biotechnika“, ihre „Internationale Fachmesse für Biotechnologie“. Zur „Schlüsselbranche für den Standort Deutschland“ adelte auch Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt die Bio- und Gentechnik, als er dann am Dienstag die dreitägige Ausstellung eröffnete. Bis zum Jahr 2000 werde sich in der BRD die Zahl der Arbeitplätze im Bereich Gentechnik von heute 28.000 auf rund 110.000 vervierfachen, versprach der FDP-Politiker. Die Zahl der Gentechnikfirmen habe sich seit dem vergangenen Jahr hierzulande auf jetzt 150 fast verdoppelt.

Nur an der Akzeptanz der Gentechnik mangelt es in den Augen des Bundeswirtschaftsministers noch. Bei der Messeeröffnung waren Gentech-Kritiker denn auch höchstpersönlich präsent: „Ersatzteillager Schwein – Nein“ hatte eine Gruppe von Grünen und Umweltschützern auf ein Transparent geschrieben. Und als Erinnerung an die Versuche, mit denen nahe Hannover Schweine auf gentechnischem Wege in Organbanken verwandelt werden sollen, überreichte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Manuel Kiper dem Wirtschaftsminister rohes Schweineherz auf Porzellanteller.

Gemessen an Rexrodts großen Zukunftsworten fällt allerdings „Europas einzige Fachmesse zum Thema Biotechnologie“ auch in diesem Jahr bescheiden aus. Die 578 Biotechnica-Aussteller, davon 458 aus der Bundesrepublik, passen weiterhin allesamt in eine Halle mit knapp 8.000 Qudratmeter Ausstellungsfläche. 9.000 Besucher werden diesmal zu Europas führender Biotec-Messe erwartet. Für die wirkliche Schlüsseltechnologie, die Informationstechnologie auf der CeBit, müssen mehr als 20 Messehallen für rund 600.000 Besucher öffnen.

Auf der Biotechnica sind keineswegs nur bio- oder gentechnologische Erzeugnisse zu bewundern. Nur 217 Aussteller bieten laut offizieller Statistik „biotechnologische Produkte und Anwendungen“ an. Die Mehrzahl der Aussteller sind Zulieferer der Gentech-Branche, zeigen Geräte für Analytik und Labor, sind Beratungsfirmen oder Forschungseinrichtungen im Gentechbereich. So hat auf der Messe die erste digitale Mikroskop-Kamera genauso ihren Platz wie gentechnisch veränderte nachwachsende Rohstoffe.

Auf der anderen Seite konnte man auf der Biotechnica auch Wissenschaftler treffen, die beispielsweise den Einsatz von genmanipulierten Mikroben bei der Altlastensanierung zwar nicht für gefährlich, aber für puren Unsinn halten. In jedem Gramm verseuchten Bodens würden ohnehin zwischen tausend und zehntausend verschiedene Bakterienarten leben, führte etwa an einem der Stände gleich am Messeeingang Professor Helmut Hanert vom Braunschweiger Institut für Mikrobiologie aus. Zur Bodensanierung müsse man schlicht gezielt die Lebensbedingungen der vorhandenen Mikroben verbessern, zum Beispiel durch Zusatz fehlender Nahrungsstoffe. Sinnlos sei der Versuch, die Natur zu übertreffen und in der Art der „eierlegenden Wollmilchsau“ neue Bakterien maßzuschneidern.

Die größten Umsätze und Umsatzsteigerungen werden bei Gentech-Produkten im Agrarlebensmittelsektor erwartet. Nach Angaben der Karlsruhe Bundesforschungsanstalt für Ernährung sind anders als in der EU in den USA bereits 27 transgene Pflanzen zum Anbau zugelassen. Zwei Milliarden US-Dollar sollen nach Angaben von Professor Klaus-Dieter Jany von der Bundesforschungsanstalt in den USA im Jahr 2000 mit transgenen Pflanzen umgesetzt werden.

Auch der Gentechnik-Kritiker Manuel Kiper hat auf der Biotechnica hin und wieder durchaus Positives entdeckt, etwa einen gentechnisch entwickelten Schellnachweis für Keuchhustenerreger. Gegen die optimistische Eigenwerbung der Branche meldet der Bündnisgrüne jedoch entschiedenen Widerspruch an. In den USA etwa gebe es zwar 1.300 Gentechfirmen mit einem Börsenwert von 140 Milliarden Dollar, doch davon würden nur 40 schwarze Zahlen schreiben. Jürgen Voges