EU-Raumfahrt sollte besser organisiert werden

■ Studie zeigt Defizite. Motorola erhöht den Rationalisierungsdruck mit Riesenbestellung

Berlin (taz/rtr) – Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat sich für ein Umsteuern in der Raumfahrtpolitik ausgesprochen. Die ökonomische Effizienz der nationalen und europäischen Raumfahrtindustrie müsse gesteigert werden, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten DIW-Bericht. Grundlegende Änderungen setzten aber voraus, daß die öffentliche Hand sich stärker als bisher über die mit der Raumfahrt verfolgten Ziele im klaren sei.

In der im Auftrag der Deutschen Agentur für Raumfahrtangelegenheiten (DARA) erstellten Analyse des DIW heißt es, der zivile Anwendungsbereich der Raumfahrt nehme dramatisch zu. Für Europa bestehe die Gefahr, von diesem zukunftsträchtigen Markt ausgeschlossen zu werden. Um dieser Gefahr zu begegnen, müsse unter anderem das Quotensystem der Europäischen Weltraumagentur (ESA) abgebaut werden. Zur Zeit verteilt die ESA Aufträge an Mitgliedsstaaten je nach der Höhe der Beiträge der beteiligten Länder. Nach der Abschaffung des Quotensystems und dem Aufbau eines europäischen Binnenmarktes in der Raumfahrtindustrie müsse sich dieser Markt allmählich nichteuropäischen Partnern öffnen.

Den Druck auf die zivilen Satelliten- und Raketenbauer hat in der letzten Woche der US-Elektronikkonzern Motorola stark erhöht. Er startete die größte Ausschreibung der privatwirtschaftlichen Raumfahrtgeschichte. Bis zu 500 Telefon- und Datenübertragungs-Satelliten will der Chip- und Funktelefonhersteller zwischen 2000 und 2010 in den Orbit schießen. Bedingung für diejenigen, die den Eine- Milliarde-Dollar-Auftrag einheimsen wollen: Die Kosten sowohl für Raketenstarts wie auch für den Satellitenbau müssen um 80 Prozent niedriger liegen als derzeit. Bis jetzt hat noch keine Firma zu erkennen gegeben, ob sie diese harte Vorgaben erfüllen könnte. Doch Motorola hatte schon mit einem Auftrag für 66 Sputniks für das Kommunikationsprogramm „Iridium“ die Preise für die Montage dieser Satelliten um mehr als 80 Prozent gedrückt. Zum ersten Mal wird Serienproduktion in der Raumfahrt angewandt.

In Deutschland sind in der Branche rund 5.200 Personen beschäftigt, vor allem bei der Daimler-Benz-Tochter Dasa. Der Umsatz der Sparte belief sich dem DIW zufolge 1995 auf 2,4 Milliarden Mark, in den USA auf das 20fache. Da gemessen am Umsatz sehr hohe Aufwendungen für Forschung und Entwicklung anfallen, ist die Branche wie kaum eine andere von Staatszuschüssen abhängig. Die Bundesregierung gibt jährlich rund 1,5 Milliarden Mark für die Raumfahrt aus. rem