Deutschtum ist Kanther Millionen wert

Das Bundesinnenministerium erwägt, dem rechtsgerichteten „Verein für das Deutschtum im Ausland“ 22 Millionen Mark zu erlassen. Bündnis 90/Die Grünen nennen das „Verschleppung eines Millionenskandals“  ■ Aus Berlin Barbara Junge

Bei aller Sparrhetorik – die Vertuschung der Zusammenarbeit mit dem rechtsgerichteten „Verein für das Deutschtum im Ausland“ (VDA) läßt sich das Bundesministerium des Inneren (BMI) einige Millionen Mark kosten. Wie aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der Bündnisgrünen im Oktober hervorgeht, schuldet der VDA dem Innenministerium nach ministeriellen Hochrechnungen runde 22 Millionen Mark Fördergelder des Bundes, dessen korrekte Verwendung der Verein nicht nachweisen kann. Der Erlaß dieser Schulden, so das Innenministerium, wird derzeit geprüft.

Der wegen seiner völkisch-revisionistischen Ausrichtung umstrittene Verein, der „Deutschtum in aller Herren Länder pflegen“ will und eine Mission gegen „Kulturliberalismus“ führt, wurde seit 1990 vom BMI für sogenannte „informationspolitische Maßnahmen“ mit mehr als 200 Millionen Mark gesponsert. Trotz Ermittlungsverfahren wegen Veruntreuung der Fördergelder und Betrug, trotz Beanstandungen des Bundesrechnungshofs und trotz diverser Kontakte von VDA-Funktionären bis ins rechtsextremistische Lager zahlte Bonn bislang unbeirrt für die nationalistische Arbeit des Vereins. Zum Anfang dieses Monats allerdings, so das BMI, endete die Unterstützung.

Die Bündnisgrünen im Bundestag werfen Innenminister Manfred Kanther (CDU) nun vor, einen „Millionenskandal“ zu verschleppen. Die Rechtsextremismusexpertin der Fraktion, Annelie Buntenbach, erklärte: „Die politische Allianz mit dem aus dem Rechtsextremismus entstandenen Volkstumsverein ist Herrn Kanther offenbar wichtiger als eine solide Haushaltsführung.“ Die Prüfung der noch ausstehenden Verwendungsnachweise des VDA, die laut BMI noch nicht abgeschlossen ist, würde weitere 13 Jahre dauern, so Buntenbach, wenn das Ministerium bei seiner Prüfgeschwindigkeit bliebe. „Damit drückt sich das BMI vor den Konsequenzen des Skandals, der sich nun schon über fünf Jahre hinzieht“, sagt Annelie Buntenbach.

Angelika Beer, die verteidigungspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, unterstellt dem Innenministerium bei seiner Verzögerungstaktik eine Reinwaschung seines Staatssekretärs Horst Waffenschmidt. Waffenschmidt, Beauftragter des Bundes für Minderheiten, war bis 1993 zugleich im Verwaltungsrat des VDA. Nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr werde Waffenschmidt, so Beer, wohl seinen Staatssekretärsposten räumen. „Um Waffenschmidt einen ehrenvollen Abgang zu verschaffen, versucht der Innenminister jetzt, auf dessen ganze Mauscheleien in der Minderheitenpolitik einen Deckel zu machen“, sagte Angelika Beer gestern.

Der Verein, der Finanzmittel auch aus dem Auswärtigen Amt bezog, kann sich auf eine lange Tradition berufen. Seit seiner Gründung 1881 forderte der „Volksbund für das Deutschtum im Ausland“, wie er damals hieß, ein Europa unter deutscher Führung. Der Stellvertreter Hitlers, Rudolf Heß, betraute den VDA dementsprechend mit der „Volkstumsarbeit jenseits der Grenzen“. Dem setzten die Alliierten im Oktober 1945 offiziell ein Ende.

Doch nicht nur historisch war sich der VDA seiner Verantwortung für ein gesundes Deutschtum bewußt. In einer ebenfalls vom BMI geförderten Broschüre „Volk auf dem Weg – Deutsche in Rußland und in der GUS 1763–1993“ erklärte der in den 50er Jahren neugegründete Verein die deutschen Truppen im Zweiten Weltkrieg zu Befreiern der Rußlanddeutschen und die Umsiedlungspolitik der Nationalsozialisten zur Rettung der deutschrussischen Minderheit. Diese 1993 erschiene Broschüre war dem NS-Rassenbiologen und Mitglied des VDA, Karl Stumpp, gewidmet.