: Von Musik besessen
Serie Jobs für übermorgen: Der Entdecker der Fantastischen Vier über seinen Beruf als Artist & Repertoire ■ Von Christine Wollowski
Fiz Braum kannte die Fantastischen Vier und die Ärzte lange, bevor sie jemand kannte: Er hat sie entdeckt. Fiz Braum ist A&R. Das steht für Artist & Repertoire und bedeutet, junge Bands und Musiker zu entdecken, mit ihnen Platten zu produzieren, sie mit Produzenten zusammenzubringen. Für R&A gibt es keine spezielle Ausbildung: Viele Plattenfirmen rekrutieren ihre A&R aus verwandten Berufen wie Produktmanager oder Musikverleger. Fiz Braum hatte gar nichts gelernt, als er 1982 als 24jähriger bei der Plattenfirma CBS anfing.
„Als mich damals einer von CBS gefragt hat, ob ich bei ihnen als A&R anfangen wollte, wußte ich gerade mal, daß bei einer Schallplatte das Loch in der Mitte ist. Ich habe zwar schon immer mit Musik viel zu tun gehabt, habe in meiner Schulzeit am Konservatorium eine Piano-Ausbildung gemacht. Dabei lernt man Partituren lesen, was praktisch sein kann. Aber Talente erkennen ist doch etwas ganz anderes. Inzwischen habe ich natürlich schon so meine Formel, um Bands zu beurteilen.
Wichtig ist dabei erst mal die handwerkliche Begabung. Ich suche nicht nach dem perfekten Act, sondern nach Rohdiamanten. Viele merken nicht, daß der perfekte Act langweilig ist, neuer Sound ist am Anfang immer völlig roh. Außerdem muß inhaltliches Talent da sein. Man muß merken, daß da eine Vision drinsteckt, ein eigener Stil. Wer sich nur nach den Top-ten richtet, der ist höchstens ein One- Hit-Wonder, das hält sich nicht.
Hits fallen nicht vom Himmel, der Job ist hart: Ich bin wahrscheinlich der Weltmeister im Live-Konzerte ansehen, im Jahr sind das so 250. Außerdem bekomme ich jedes Jahr um die 3.500 Demotapes auf den Tisch. Ich höre mir alle an, das ist fast eine Sucht bei mir, obwohl ich vielleicht nur zwei davon einkaufe.
Als ich das Demotape der Fantastischen Vier auf den Tisch bekam, hatten es schon längst alle anderen Plattenfirmen abgelehnt. Auch unsere Geschäftsleitung war nicht gerade begeistert, aber ich dachte mir: Das Tape ist furchtbar, die Idee ist gut. HipHop auf deutsch zu machen, darauf war vorher noch niemand gekommen.
Danach habe ich mir die Band live angesehen, das war auch nicht besonders. Doch als ich gehört habe, wie die Band backstage über ihre Musik geredet hat, das hat mich überzeugt: Die hatten einen Plan. Eigentlich Irrsinn als Kriterium, das Backstage-Gerede. Aber es hat funktioniert.
Man muß sich in diesem Job unbedingt vom eigenen Geschmack lösen. Nichts ist schlimmer als ein geschmäcklerischer A&R. Viele lassen schon mit 28 den Spruch los: Es gibt keine gute Musik mehr. Das ist Bullshit, es gibt immer gute Musik, man hat vielleicht bloß selbst nichts mehr damit zu tun, weil es eine andere Generation ist. Man muß wissen: Musik entwickelt sich, und man muß das unterstützen wollen. Man will ja die Musik finden, die in zwei, drei Jahren angesagt ist.
Dafür muß man absolut musikbesessen sein und bereit, sich den Arsch aufzureißen, sieben Tage die Woche, im Schnitt zwölf bis vierzehn Stunden. Das Privatleben ist dann nicht mehr so spannend. Betriebswirtschaftliche Kenntnisse oder eine kaufmännische Ausbildung sind nützlich – es geht ja um sehr viel Geld. Sprachkenntnisse sind auch gut, neben Englisch wird Spanisch immer wichtiger. Aber das sind alles keine Voraussetzungen. Wichtig ist, das Talent zu erkennen.
Mir werden inzwischen die Exoten angeboten, die Schwierigen landen immer bei mir, da müßte ich gar keine Tapes mehr anhören. Ich bin nicht der A&R, der ständig Hits produziert, ich will der Musikindustrie ab und zu eine Frischzellenkur verpassen. Wer als A&R von der Firma akzeptiert wird, kann einkaufen, was er will.
Danach muß er zusehen, wie er mit der Band ein ordentliches Album produziert. Je mehr Einfluß ich da nehmen muß, desto schlechter ist der Act. Meistens erscheine ich nicht einmal im Studio. Wenn ich das, was die Band da macht, für eine Katastrophe halte, dann sage ich denen das – aber sie können trotzdem selbst entscheiden, ob sie so weitermachen. Wer die wirtschaftliche Macht hat, kann den Musikern sehr viel reinreden, wenn er will – aber damit stellt er genau die Künstler in Frage, die er schließlich selbst eingekauft hat.
Natürlich bin ich auch mal auf die Nase gefallen – aber dann mit dem Künstler gemeinsam. Irgendwann muß schon ein Hit her, aber das muß nicht beim ersten Album sein. Die Ärzte hatten auch erst mit ihrem vierten Album einen Hit.“
Nach vielen Jahren als A&R bei CBS (heute Sony Music) arbeitete Fiz Braum zweieinhalb Jahre bei WEA. Vor anderthalb Jahren gründete er mit den Fantastischen Vier in Stuttgart das Fantastische Vier Label, dessen Geschäftsführer er ist. Wer musikbesessen und bereit ist, „sich den Arsch aufzureißen“, kann sich dort um einen Praktikumsplatz bewerben. Informationen unter Telefon: (0711) 96 666 400
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