Ein Kühlschrank fürs Leben

■ „Spiel zu Zweit“: Kitschige Emotionswippe im Altonaer Theater

Jeremias trägt Anzüge, am liebsten mit Hut. Gittel bevorzugt ihr rotes Wollkleid mit Blumenmuster. Sein Wohnzimmer ist an Trostlosigkeit kaum zu überbieten: Ganze zwei Tische, einer für Funktelefon und Aktenordner, dekorieren den Raum des jungen Anwalts. Sie hat ein altes, vergilbtes Telefon mit Wählscheibe und quer im Zimmer einen Sitzball, eine Stereo-Anlage, Chipstüten, einen Schlafanzug und Stecknadeln verstreut. Ihr Traum: Tänzerin zu sein.

Die Wohnungen sind auf der Bühne nebeneinander zu sehen. Gut zwei Stunden lang kann der Zuschauer von William Gibsons Romanze Spiel zu Zweit die offensichtliche Unterschiedlichkeit des Yuppies und der Träumerin begutachten und sich über die daraus entstehende Komik amüsieren – oder es auch lassen.

Denn daß die beiden klischeehaft Verschiedenen sich in regelmäßigen Abständen lieben und hassen werden, weiß der Zuschauer seit der ersten Szene, als Jeremias (Fritz Bleuler) sie (Astrid Kohrs) am Morgen nach einer Party anruft, um ihren ausrangierten Gefrierschrank zu kaufen. Ein alter, stets aktueller Plot aus 1001 Filmen nimmt unaufhaltsam seinen Lauf.

Immerhin ist die Art und Weise, mit der Regisseur Kai Fiege die lebensnahen Fettnäpfchen und Kuriositäten des Kennenlernens inszeniert, oft äußerst erfrischend – so z. B. wenn Gittel Jeremias kühl wie ihr eigener Gefrierschrank entgegnet, das Gerät sei schon verkauft. Jeremias bleibt nur die Flucht nach vorne – „Ich habe gerade beschlossen, mein Leben zu ändern“– und ihr bleibt nichts, als seine Einladung zum Essen anzunehmen.

Two For The Seesaw ist eine kitschige Wipp-Partie der Emotionen, eine klassische Charakterstudie von zwei einsamen Großstädtern, die sich abwechselnd anziehen und abstoßen. Nicht mehr und nicht weniger ist das Spiel zu Zweit, abgesehen von der faszinierenden Tatsache, daß die beiden Darsteller auch privat verheiratet sind.

Schließlich entscheidet sich das ungleiche Paar dazu, die eigenen Wohnungen und Charaktere aufzugeben und endgültig zu verschmelzen. Die Wippe scheint im Gleichgewicht. Aber manchmal können überraschend beide Parteien wieder herunterfallen.

Timo Hoffmann

bis 15. November, 20 Uhr