Kreuzberger Zelle bis nach Indien

Die Gründer der Solon AG haben eine gute Idee, einen Riesenraum und Tatendrang. Wenn die Stadt sie läßt, stellen sie 180 Leute ein und produzieren Solarzellen in Berlin  ■ Von Gudrun Giese

Berlin (taz) – Alles ist auf Zuwachs ausgerichtet bei der „Solon AG“ in Berlin-Kreuzberg. In den großzügig dimensionierten Büros hätten ohne weiteres doppelt so viele MitarbeiterInnen Platz. Noch mehr Beschäftigte kann man sich auch in der Produktionshalle vorstellen, die nahezu leer ist. Doch schon zum Jahreswechsel soll alles anders werden.

Solon, vor einem knappen Jahr aus vier kleineren Unternehmen hervorgegangen, will den Photovoltaikmarkt aufrollen. Nachdem sich in den zurückliegenden Jahren alle Solarzellen-Hersteller vom Standort Deutschland verabschiedet hatten, wagt Solon den Neustart. Ab Jahresende werden in Berlin Standard-Photovoltaikmodule gebaut. Ein Jahr später soll dann die Herstellung von Solarzellen aus polykristallinem Silizium beginnen. Dabei wollen die Jungunternehmer nicht kleckern, sondern ranklotzen. Bis 1998 wollen sie bereits so viele Module produzieren, daß mit den Zellen eine Höchstnennleistung von fünf Megawatt erreicht werden kann. „Die lassen sich nicht allein in Berlin und Umgebung absetzen. Da müssen wir uns schon nach weiteren Märkten umsehen“, sagt der Physiker Paul Grunow, der für den Aufbau der Produktion zuständig ist. Kontakte hat Solon inzwischen nach Marokko, Brasilien und Rußland aufgebaut.

Auf Zuwachs ausgelegt ist auch die Gesellschaftsform des Unternehmens: Die Firma wurde gleich als Aktiengesellschaft gegründet. „Eine ungewöhnliche Gesellschaftsform, aber mit Blick auf die geplante Entwicklung gewählt“, sagt Stefan Pofahl, Vorstandsassistent, Diplomingenieur und derzeit Mann für alles in dem Unternehmen. Immerhin hat Solon in dem knappen Jahr seines Bestehens bereits zweimal das Grundkapital aufgestockt: von zunächst 100.000 auf 460.000 Mark im März, auf 980.000 Mark im August. Aber die drei Vorstandsmitglieder Birgit Flore, Reiner Lemoine und Alexander Voigt wollen noch andere Summen mobilisieren. Bis 1999 wollen 25 Millionen Mark investieren, 100 Menschen einstellen und die Gewinnzone erreicht haben.

Treibende Kraft des Großprojekts ist Alexander Voigt, 32 Jahre jung, diplomierter Physiker und nach eigener Darstellung seit seinem 16. Lebensjahr „ein Börsenzocker“. Gleich nach Studienende stürzte er sich mit einem Kompagnon in die Selbständigkeit: Sie gründeten ein Unternehmen für Solarinstallations- und -haustechnik. Diese Firma war eine der Kernzellen von Solon.

Im Moment arbeitet die Solarfabrik im Kreuzberger Gewerbehof allerdings noch gebremst. Die gerade mal 22 Beschäftigten sind bislang vor allem damit beschäftigt, die künftige Produktion und den Vertrieb von Solaranlagen vorzubereiten. Die fabrikmäßige Produktion kann erst beginnen, wenn die seit langem zugesagten Fördermittel des Berliner Senats aus dem Programm „Zukunftsinitiative Ökologisches Wirtschaften“ fließen. Mehr als 6,1 Millionen Mark sind Solon inzwischen zugesagt, mit der Überweisung hat sich der Senat bisher allerdings schwergetan.

„Wenn wir vorher gewußt hätten, wie langwierig und schwerfällig die Verwaltung arbeitet, hätten wir uns nicht unbedingt für den Standort Berlin entschieden“, stöhnt Stefan Pofahl. Junge Firmengründungen wie Solon brauchen neben einer guten Produktidee, Wagemut, Kreativität und Engagement eben doch auch die zügig bearbeitende Unterstützung des Staates. Denn zumindest theoretisch ist Berlin für eine Solarfabrik erste Wahl: Immerhin vergütet der Berliner Energieversorger Bewag den aus Solaranlagen ins Netz eingespeisten Strom mit gut achtzig Pfennig pro Kilowattstunde, so daß die Stadt als Absatzmarkt für Solaranlagen attraktiv ist. Außerdem hat sich der Senat die Förderung der Solarenergie vorgenommen.

Bei Solon hat man sich derweil mit der Zeitverzögerung abgefunden. „Scheitern werden wir nicht an der verspäteten Auszahlung“, sagt Stefan Pofahl. Aber gleichwohl hat der Verwaltungsschlendrian dem Unternehmen einige zusätzliche Kosten beschert: Die Miete für die Gewerberäume muß durchgehend gezahlt werden, obwohl die Produktion erst zur Jahreswende starten wird. Und das Unternehmen mußte sich mit einem Kredit zwischenfinanzieren, dessen Zinsen ebenfalls zu den eigenen Lasten gehen.

Für die Zukunft aber bleiben die Firmengründer optimistisch. Von Berlin aus wollen sie nicht nur den deutschen Markt mit Solarzellen, Modulen und kompletten Solaranlagen bedienen, sondern schnellstmöglich ins internationale Geschäft einsteigen. Dabei haben sie besonders Gegenden der Welt im Blick, in denen ein Anschluß ans öffentliche Stromnetz utopisch ist. Abgelegene Dörfer in Indien etwa, die dank reichlicher Sonneneinstrahlung ganzjährig mit kleinen dezentralen Solaranlagen ihren Strombedarf decken könnten.