Nicht-platonisches Unglück

■ Die Einfache Bühne bringt „Die Arme Lisa“für empfindsame Seelen auf die Bühne – hübsch und schwer pathetisch

Die Moskoviter sind schon komische Menschen: Jener Teich am Rande ihrer Stadt, in den der russische Autor Nikolai Karamsin 1792 Die Arme Lisa schickte, wurde ein Heiligtum ihrer empfindsamen Seelen. Die junge Heldin der Erzählung hatte sich in einen Adligen verliebt, der sie wiederliebte, dabei nicht platonisch blieb und dann von der Bildfläche, hier eine Birkenfläche, verschwand. So mußte sie ihren Kummer samt Haupt im Teich ertränken. Allerdings nicht ohne daß ein bis dato unerhörter Satz die Druckerschwärze der russischen Literatur erblickte: „Auch Bäuerinnen können lieben.“

Jewgeni Mesteschkin hat den brandheißen Plot nun an der Einfachen Bühne inszeniert. In einen weißen Raum läßt er den Erzähler (Stephan Fischer) wie einen verschusselten Voyeur treten, der die Geschichte mal erzählt, mal spielen läßt. Warum allerdings für eine Handlung, die in drei Sätzen erzählt ist, ein Text, der in 30 Minuten gesprochen wäre, pantomimisch so vor- und nachbereitet wird, daß die Aufführung anderthalb Stunden dauert, bleibt unklar. Die 50fache Wiederholung des Satzes „Mütterchen, er liebt mich“trägt auch nicht eben zum Tempoanzug bei.

Wohl gibt es einige schöne Regieeinfälle – etwa wenn der Holztrog zum Boot und ein langes Tuch zum See wird –, aber das Spiel Lisas (Katharina Poladjan) und ihrer wimmernden Mutter (Christiane Hauch) bleibt mehr als holzschnitthaft. Auch zwischen den jungen Liebenden wird eher Kamin- als Süßholz geraspelt. Alles ist schwer und pathetisch, und der Zuschauer, der schon das Glück unter der Käseglocke agieren sieht, befürchtet Schlimmes für das unausweichliche Unglück. Das kommt dann aber unerwartet schnell daher: Statt eines heiligen Teiches genügt Lisa der feuchte Holztrog zur Beendigung des Elends. Christiane Kühl