Fahrräder zu Antidepressiva

■ Arbeiten des Künstlerprojekts „Fahrradhalle“im Künstlerhaus

Dreihundert Ping-Pong-Bälle puppern durch den Raum, Modelle von verschneiten Vorstadtvillen sind zu sehen, niedliche Kätzchen sitzen auf einem Bord, und Fotos und Bilder hängen an der Wand. Doch das Spielerische dieser Ausstellung im Künstlerhaus Weidenallee darf nicht täuschen: Die Bälle sind mit persischen Begriffen beschrieben, die Kätzchen sind aus Rattengift geschnitzt, und der Schnee auf den Modellhäuschen besteht aus schwersten, antidepressiven Psychopharmaka.

Die zwölfköpfige Künstlergruppe betreibt in Offenbach am Main das Projekt Fahrradhalle. Das hat keinen kalauernden Hintersinn, der Ausstellungsort war vor seinem Umbau schlicht der Raum für die Fahrräder einer Fabrik. Drei Jahre haben die jungen Künstler aus Hessen, Hamburg und Berlin diesen Ort mit Kunst und Musik bespielt. Jetzt vertreten sie ihr privat finanziertes Selbstorganisationsmodell auch auf Tournee: Nach Berlin haben sie sich in Hamburg aufgehalten und hier eine spezielle Gruppenausstellung erarbeitet.

Von der Decke hängende Textbahnen machen anschaulich, wie stark die Gruppe mit Sprache als vermittelndem Element arbeitet – auch wenn es eine den meisten unverständliche ist. Das meint nicht die Ausdrucksformen ihrer Kunst, sondern das persische Arabisch, in dem die teppichartig auf den Boden geschriebenen Sätze von Parastou Forouhar abgefaßt sind.

Wichtig ist der Gruppe die Vermittlungsdimension. Sie versucht, „nicht zu warten, bis ein Kurator einen vertextet, sondern selbst daran zu arbeiten, Relevanz zu kriegen“, wie Fotokünstler Oliver Raszewski es ausdrückt.

Kommunikation wird von den Fahrradhalle-Künstlern nach innen und außen praktiziert: Die drei ersten Ausstellungen haben nur in aufwendig gestalteten Katalogen stattgefunden. Immer wieder definieren Gemeinschaftsarbeiten den Stand der Beziehungen. Daß dabei manche Objekte auch als interne Kommentare zwischen den Gruppenmitgliedern gelesen werden können, gibt eine zusätzliche Ebene, die sich dem Publikum zwar nicht erschließt, die es aber gerne glaubt. Schließlich haben nicht alle übersinnliche Fähigkeiten, deren Vor- und Nachteile Claus Richter in seinem Video so ernüchternd demonstriert. Hajo Schiff

Künstlerhaus Hamburg, Weidenallee 10b, Di – So 18 – 20 Uhr, noch bis 31. Oktober.