Dope für Schmuggel-Papageien

In Brasilien floriert der illegale Tierhandel. Zwölf Millionen exotische Tiere werden jährlich gefangen  ■ Aus Rio de Janeiro Patricia Sholl

Auf dem Flug-

hafen der Sextourismusstadt Recife im Norden Brasiliens läuft ein Deutscher trotz der Hitze im Mantel herum. Zöllner werden mißtrauisch, greifen sich den Mann und entdecken eingenäht in den Mantel nicht weniger als 140 seltene Kolibris – die man in Brasilien „Beija-Flor“, Blumenküsser, nennt. Der Deutsche hätte es geschickter anstellen müssen – wie viele seiner Kollegen. Die kaufen von korrupten Beamten legale, juristisch einwandfreie Ausfuhrdokumente oder exportieren seltene, vom Aussterben bedrohte Tiere notfalls über Nachbarländer wie Paraguay und Bolivien.

Per Flugzeug ist die Ware schneller beim Kunden, und es kann eher abkassiert werden. Strengere Kontrollen als in den brasilianischen Häfen, aber auch dumme Zufälle können das Geschäft verderben: Auf dem Flughafen von Rio de Janeiro gibt es eine anonyme Bombendrohung gegen eine Lufthansa-Maschine nach Frankfurt. Die Bombe findet man nicht, statt dessen aber zehn Kisten mit 600 Papageien und anderen Urwaldvögeln. Selbst Alternativtouristen bringen es fertig, putzige Löwenäffchen im Rucksack durch die Zollkontrollen zu schmuggeln. Um die Tierchen ruhigzustellen, bekommen sie ein wenig Dope. Auf den Tiermärkten von Rio, Belem oder Bahia kann man solche Methoden von den Händlern lernen – die stopfen Papageien sogar in große Plastik-Cola-Flaschen, transportieren sie im 12er- oder 24er-Pack in Getränkekisten.

Die schlimm zugerichteten, oft geblendeten Vögel würden normalerweise piepsen und schreien – mittels Drogen wird das verhindert. Die Käufer merken beim oberflächlichen Hinsehen am Marktstand nichts davon.

Gare Batmanien, Leiter der WWF-Vertretung in Brasilien, klagt die staatlichen Umweltbehörden, aber auch die Polizei an, nicht rigoros genug Händler und Fänger zu verfolgen. Und er nennt Zahlen: Danach entfallen auf das Tropenland etwa 15 Prozent des nach Waffen und Drogen drittlukrativsten illegalen Wirtschaftszweiges. Jährlich werden mit dem verbotenen Tierhandel über 10 Milliarden Dollar weltweit erzielt. An die 12 Millionen Tiere werden in Brasilien pro Jahr in ihrem natürlichen Lebensraum gefangen. Von ihnen verenden 90 Prozent auf dem Weg zu den Märkten, so daß nur eines von zehn Tieren schließlich verkauft wird. Die hohe Nachfrage in den reichen Industrieländern stimuliert in Brasilien die Ausrottung.

In Bahia leben die letzten hundert prachtvollen blauen Königspapageien. Sie werden erbarmungslos gejagt – auf dem illegalen Tiermarkt von Feira de Santana verlangen die Fänger umgerechnet 3.500 Mark. Auch deutsche Kunden müssen in Bahia indessen bis zu fünf Monate warten, bis die heiße Ware übergeben wird. Doch für die gerissenen Zwischenhändler lohnt sich die Warterei – denn in Deutschland, der Schweiz oder Frankreich gibt es genügend Betuchte, die für ein Königspapageienpaar derzeit an die 300.000 Mark hinblättern.

Die brasilianischen Händler und Fänger geben offen zu, seltene Tiere illegal zu jagen. Einer sagt in Feiro de Santana ohne jedes Schuldbewußtsein: „Eine andere Arbeit will ich nicht mehr – Papageien verkaufen bringt doch mehr ein als Landwirtschaft.“

Nicht zufällig suchte die umstrittene Tierschützerin Brigitte Bardot bereits 1990 den Teilstaat Bahia, der mit rund 567.000 Quadratkilometern größer als Deutschland ist, für einen Dokumentarfilm gegen den illegalen Tierhandel aus. Gefruchtet hat dies so gut wie nichts – selbst dem zugereisten deutschen Ornithologen fällt rasch auf, daß er in heimischen Parks und Gärten viel mehr Vögel sieht als in Brasilien. Die große Ausnahme bildet bis auf weiteres noch das Feuchtgebiet Pantanal. An anderen Stellen des Landes werden Affen, Krokodile, Gürteltiere und Wildkatzen ganzjährig gejagt, und das nicht nur aus kommerziellen Gründen, sondern auch einfach aus Spaß. Ein Karajá-Indio sagt: „Dem Weißen macht die Jagd Spaß, weil er gerne sieht, wie ein Tier tot umfällt. Wir jagen nur, um etwas zu essen zu haben.“

Indianer, die den Bezug zu ihrer Kultur verloren haben, nutzen jedoch bereits ihre wertvollen Naturkenntnisse, um in den Tierhandel einzusteigen: In Amazonien, aber auch Zentralbrasilien beliefern sie selbst Andenkenländen mit Federn der seltensten Papageien. Die Rote Liste der Vögel zeigt, daß in keinem anderen Land so viele Arten vom Aussterben bedroht beziehungsweise stark gefährdet sind wie in Brasilien.