■ Berlin: Der Kompromiß beim Jüdischen Museum läßt vieles offen
: Königsweg mit Fallstricken

Der Streit um das Jüdische Museum ist nun also beigelegt. Nach der bislang schwersten Krise zwischen Jüdischer Gemeinde und Senat hat der Berliner Kultursenator Radunski dem massiven öffentlichen Druck nachgegeben. Reiner Güntzer, Generaldirektor des Stadtmuseums und Gegenspieler des entlassenen Amnon Barzel, ist in seine Schranken gewiesen. Radunski hat ihm sogar das Stimmrecht in Sachen Jüdisches Museum entzogen und der von einer „Hauptabteilung“ zum „Jüdischen Museum“ avancierten Institution eine gewisse Autonomie zugestanden.

Die Stiftung Jüdisches Museum wird ihren eigenen Direktor erhalten, beide Jüdische Gemeinden werden vertreten sein, und die Dinge, für die der doppelt gefeuerte Amnon Barzel gekämpft hatte – kulturelle Autonomie des Museums, eigener Haushalt, eigener Stellenplan –, werden nun Wirklichkeit. Eine peinliche Schlappe vor allem für Reiner Güntzer und, so wollen wir hoffen, eine Korrektur der neuen arroganten Umgangsweise mit Juden in dieser Stadt. Ein gutes Ende also?

Pustekuchen: Andreas Nachama hat zwar noblerweise die neue Struktur als „Königsweg“ bezeichnet und sieht den Konflikt als beendet an. Doch was hier entschieden wurde, läßt offen, wer den Haushalt und den Stellenplan letztlich kontrollieren wird. Eine kleinkrämerische Mischnutzung des Museums mit Mode-, Theater- und anderen Abteilungen ist weiterhin vorgesehen, und aufgrund der schwammigen Gesetzesvorlage werden sich nun die Konflikte in den neuen Stiftungsrat verlagern. Denn auch ohne formales Stimmrecht bleibt Reiner Güntzers Rolle weiterhin unübersehbar.

Zu einer wirklichen demokratischen Öffnung ist es also sichtlich nicht gekommen. Die Gesellschaft für ein Jüdisches Museum, ein breit angelegter Verein, der schon lange für ein autonomes Jüdisches Museum auch im Sinne Barzels kämpft, ist beispielsweise in den weiterhin kopflastigen Strukturen nicht vertreten. Die Deutungsmacht über jüdische Geschichte bleibt somit weiterhin im Umfeld des Senats. Deshalb ist hier nun die Eigeninitiative von Juden und anderen für das Museum engagierten Bürgern gefragt. Das ist auch eine Frage privater Gelder. Gerade angesichts des zu erwartenden konzeptionellen Wirrwarrs bleibt die schlichte Wahrheit: Ohne die energische Teilnahme von Juden in dieser Stadt wird es kein Jüdisches Museum geben, das diesen Namen verdient. Michal Bodemann

Professor für Soziologie in Toronto, lebt dort und in Berlin