Von den Kreuzzügen bis zum Holocaust

■ Zwar gab es Päpste, die den Juden gegenüber aufgeschlossen waren. Aber in der Regel wurden diese diskriminiert, ausgegrenzt und verfolgt

Das Verhältnis der christlichen Kirche(n) zum Judentum hat sich höchst unterschiedlich entwickelt. Seit der Apostel Paulus den Juden statt – wie historisch korrekt – dem römischen Statthalter Pontius Pilatus die Schuld für die Kreuzigung Christi gab, kam zu dem auch schon vor Christus in manchen Ländern verbreiteten politischen und sozialen Antisemitismus die religiöse Komponente hinzu. Als das Christentum in Westrom im 4. Jahrhundert Staatsreligion wurde, verloren die Juden ihre angestammten Rechte. Allerdings gab es auch Päpste, die den Juden gegenüber sehr aufgeschlossen waren: Papst Gregor I. (gest. 604) drang auf Gleichberechtigung der Juden, die vorher verbreiteten Zwangstaufen schaffte er ab.

Schwere Verfolgungen begannen dann ab dem 12. Jahrhundert mit den Kreuzzügen. Dabei taten sich neben der Albigensersekte vor allem Papst Innonenz III. (gest. 1216) und sein Hofstaat hervor. Man begann meist mit üblen Verdächtigungen (Historienschändung, Ritualmorde), machte die Juden für alle möglichen Widrigkeiten verantwortlich – von Hungersnöten und Pestepidemien bis zu schlechten Geschäften –, um sie dann zu Hunderten einzusperren und hinzurichten.

Das 4. Laterankonzil verbot 1215 den Juden die Bekleidung von Ämtern und schrieb ihnen Erkennungszeichen an der Kleidung vor. Die meisten Städte richteten Ghettos ein, in die die Juden zwangseinquartiert wurden. Ende des 13. Jahrhunderts wurden die Juden zu Tausenden aus England vertrieben, ein Jahrhundert danach auch aus Frankreich, wieder ein Jahrhundert später aus Spanien – wo im übrigen bereits seit dem frühen Mittelalter grausame Pogrome vorgekommen waren. Seit dem 13. Jahrhundert mußten sich die Juden auch mehrmals jährlich Bußpredigten unterziehen.

Im 15. Jahrhundert wurde die Repression auch auf verschiedenen geschäftlichen Gebieten stärker. So suchte die Inquisition etwa den jüdischen Buchdruck zu verhindern – wegens des Verdachts auf Verbreitung aufsässiger Schriften. Berühmt wurde dabei (der getaufte Jude) Jakob Pfefferkorn (gest. 1523), der die Verbrennung allen jüdischen Schrifttums forderte. Dagegen wandten sich die „Dunkelmännerbriefe“ mehrerer Humanisten, die Pfefferkorn teilweise widerlegten, teilweise lächerlich machten. Die daraufhin angestrengten Prozesse, unter anderem gegen Johann Reuchlin (gest. 1523), endeten mit harschen Strafen für die „Judenfreunde“.

Die Reformatoren sahen keinen Anlaß, die antijüdische Haltung der Kirche aufzugeben. Erst der Pietismus des 18. Jahrhunderts bezog eine positivere Einstellung zum Judentum. Im 19. Jahrhundert übernahmen teilweise wieder katholische Theologen die Vordenkerrolle in Sachen Antisemitismus – was sich dann nicht zuletzt auf die ambivalente Haltung der Kirche zu Faschismus und Nationalsozialismus auswirkte.

Erst das 2. Vatikanische Konzil (1961–1965) begann mit einer Aufarbeitung des Verhältnisses: Nach dramatischen Auseinandersetzungen in der 4. Tagungsperiode 1965 kam es zu einer gemäßigt freundlichen Stellungnahme innerhalb des Dokuments „Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“.

Paul VI. gründete 1974 die „Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum“ innerhalb des schon 1960 von Papst Johannes XXIII. eingerichteten „Sekretariats für die Einheit der Christen“.

Diese Kommission bereitete den Besuch Johannes Pauls II. in der Synagoge von Rom 1988 und die Enzyklika „Tertio millenio adveniente“ (1994) vor, in der „neue Initiativen zur Reinigung und Reue über begangene Taten“ angekündigt wurden.