Ab in die Klinik

In Berlin-Weißensee wird lackverseuchtes Holz mit umweltfreundlichen Verfahren behandelt. Die HolzCleanic ist Teil eines sozialen Ausbildungsprojekts  ■ Von Matthias Fink

Wer zu Hause chemisch behandeltes Holz reinigt, muß sich mit allerlei Schadstoffen herumärgern. Lösungsmittel oder Rückstände aus vielen Schichten alter Anstriche sind gar nicht gesund, ungezügelte Flammenentwicklung beim Abbrennen des Türrahmens auch nicht. Ehe der Heimwerker in der Klinik landet, sollte er lieber das Holz in die Weißenseer HolzCleanic bringen.

Aus Berlin und Brandenburg stammen die Fenster, Türen oder Möbelstücke, deren Lack den BesitzerInnen keine Freude mehr macht. Sechs MitarbeiterInnen sind in den Hallen an der Roelckestraße 152 damit beschäftigt, die Stücke in modern isolierten Waschanlagen abzulaugen und anschließend die schrumpeligen Chemiereste mit Hochdruck-Wasserstrahlen zu entfernen. Modernere Anstriche wie PUR- oder Acryllacke gehen mit den vorsichtigen Verfahren nicht ab.

Ist der Lack erstmal ab, werden andere Spuren langer Benutzung nicht mehr von milder Patina verdeckt, sondern zeigen sich als häßliche Schäden. Diesen Effekt nutzt der Projektverbund „Zukunft Bauen“, dessen MitarbeiterInnen die Berliner HolzCleanic betreiben. Möbelrestaurierungen sind deshalb auf dem weiten Gelände zwischen Roelcke- und Pistoriusstraße auch im Programm.

„Der materielle Wert allein rechtfertigt den Aufwand oft nicht“, sagt Andreas Krüger, Koordinator für Innenausbau und Tischlerei, „aber der ideelle Wert ist für viele Leute sehr hoch“. Und wenn der entlackte, restaurierte Wäscheschrank nicht so recht zwischen das Ledersofa und den CD- Turm paßt, entsteht vielleicht der Wunsch, ein weiteres Möbelstück in traditioneller Holzfertigung zu kaufen. In einem neuen großen Raum in der Pistoriusstraße 108, in der Eigenwerbung schlicht „Der Raum“ genannt, stehen verschiedene Möbelstücke zur Ansicht.

Umgekehrt wird kein Schuh draus: Die neuen Möbel sind als Arbeitsobjekte für die HolzCleanic nicht geeignet. „Lack haben wir möglichst gemieden“, erklärt Andreas Krüger, der die Designmöbelkollektion „Ligno“ entwickelt hat. Ihre Prototypen sind unter den Ausstellungsstücken. Sofa, Anrichte, Kleiderschrank, hauptsächlich aus Massivholz, ergänzt durch farbige Lochplatten italienischer Art. Auch der Schreibtisch, an dem die MitarbeiterInnen sitzen, paßt dazu, ebenso die Küchenzeile in der Ecke. Kein Wunder, sie entstammen auch seiner Hand.

Tropenholz ist bei den Möbeln von Zukunft Bauen tabu ebenso wie furnierte Spanplatten. „Wir sind keine Konkurrenz zu Ikea“, sagt Krüger.

Zur Hochschule der Künste in Charlottenburg gibt es künstlerische Kontakte. Hier arbeitet Zukunft Bauen mit der Abteilung Design-Transfer zusammen. „Wir werden ein Projekt mit ihnen gemeinsam verwirklichen. Das Regalsystem, das sie entworfen haben, wird bei uns produziert“, erzählt Krüger. Die Schnittstelle zwischen Kunst, Kommerz und Selbsthilfe soll der Ende August feierlich eröffnete „Raum“ werden. Er „soll ein Forum sein, Kunden und Hersteller zusammenzubringen“. Auch an Vernissagen ist gedacht.

300 Leute sind im gesamten Projektverbund Zukunft Bauen beschäftigt, darunter 86 Auszubildende. Hier kann sich allerdings nicht jeder bewerben. Das führe manchmal zu Enttäuschungen, sagt Frank Büttner vom Verbund.

Zukunft Bauen ist darauf spezialisiert, schwer vermittelbaren Jugendlichen eine Chance zu geben. 95 Prozent derer, die kommen, haben keinen Schulabschluß. Im Tischlergewerk sind zur Zeit 18 Männer und drei Frauen in der Lehre, so Ausbildungsleiterin Bettina Busch. Neben den Ausbildungsgängen gibt es bei Zukunft Bauen auch Qualifikationsmaßnahmen wie das berufsvorbereitende Jahr.

Heute gehören zum Projektverbund Zukunft Bauen eine ganze Reihe von Einrichtungen. Jüngstes Kind ist ein Kinderwohnprojekt mit siebzehn Plätzen gleich über „dem Raum“ an der Pistoriusstraße. Ein Kleinkinderheim aus DDR-Zeiten wurde zu einem Wohnmodell umgestaltet, bei dem Kinder in Krisensituationen Zuflucht finden können. Weitere Plätze unter demselben Dach stehen seit diesem Sommer bereit für Kinder, die längere Zeit außerhalb ihrer Familie wohnen sollen.

Mit Jugendhilfe hat 1983 alles begonnen. Alternativen zur Heimerziehung zu finden, war das Ziel, einen fünfgeschossigen Altbau in Eigenregie zu sanieren das erste Projekt.

Wie bei anderen Alternativprojekten wandte man sich allmählich marktwirtschaftlichem Denken zu. „Manche Mitarbeiter sind immer noch erstaunt, daß ein soziales Projekt auf dem Markt seine Dienstleistungen anbietet“, sagt Büttner. Die handwerklich gebauten Möbel werden schließlich nicht zu Preisen verkauft, die typische Angehörige des Öko-Milieus mal eben so aufbringen. Konsequente Distanz zu Kommerz und Marktwirtschaft hält Frank Büttner in Zeiten knapperer Staatsknete für gefährlich: „Die Wohnplätze für Jugendliche wollen wir nicht aufgeben, das Kinderhaus und die Zufluchtswohnungen für Frauen und die anderen sozialen Projekte auch nicht.“