"Bis was passiert, vergehen Jahre!"

■ Elektronikschrott wandert noch immer auf die Deponie. Eine Verordnung läßt auf sich warten. In Holland ist man schon weiter

Fröhlich ist Georg Fröhlich keineswegs, wenn er einen Blick in seine Fabrikhalle wirft. Viel Platz sieht der Geschäftsführer der Electrocycling GmbH in Goslar zwischen den Maschinen und Zerlegebändern: „Mit unserem Equipment könnten wir eine Jahreskapazität von 30.000 Tonnen packen, von der wir derzeit nur etwa die Hälfte nutzen können.“ Fröhlich fehlt es einfach an Schrott.

Dabei hat der Electrocycling- Chef noch Glück. Die vier Gesellschafter des 100-Mann-Betriebes, die Deutsche Telekom AG, die Preussag Noell GmbH, die Alcatel SEL und die Siemens AG, sind gleichzeitig „Rohstoff“-Lieferanten. Deshalb schreibt das Goslarer Unternehmen nach eigenen Angaben schwarze Zahlen. Was Fröhlich und seinen Mannen zum Zerlegen fehlt, sind vor allem private Computer, Elektro- und Haushaltsgeräte. Dabei wächst die elektronische Schrotthalde nach Expertenschätzungen jährlich um mindestens 1,5 Millionen Tonnen. Tendenz steigend. Da das Recycling mit rund 600 Mark pro Tonne derzeit fast dreimal so teuer ist wie deren Lagerung auf einer Deponie, landen nach wie vor die großen Mengen des Elektroschrotts auf der Müllkippe.

Dieses ökologische Trauerspiel ist hausgemacht: Die noch vom früheren Bundesumweltminister Klaus Töpfer 1991 angekündigte Elektronikschrott-Verordnung, die eine Verwertungspflicht festschreiben sollte, schlummert bei seiner Nachfolgerin Angela Merkel in einer Referenten-Schublade. Electrocycling-Geschäftsführer Fröhlich macht sich auch keine Illusionen darüber, daß dieser Dornröschenschlaf noch in dieser Legislaturperiode beendet wird: „Das, was jetzt diskutiert wird, bringt uns nicht voran.“

Diskutiert wird nämlich in Bonn nicht mehr eine umfassende Regelung, sondern die „Verordnung über die Entsorgung von Geräten der Informationstechnik“ (IT-Geräte-V). Erfaßt werden sollen damit Computer, Bildschirme, Drucker, Scanner, Faxgeräte und Kopierer — mit Ausnahme der Telefongeräte also alles, was zur „weißen Ware“ zählt. Außen vor bleibt bei der IT-Geräte-V die „braune Ware“, Fernseher, Waschmaschinen, Hi-Fi-Geräte oder Kühlschränke, die es zusammen auf einen Anteil von über 90 Prozent am Elektronikschrott bringen.

Damit nicht genug: Ob die abgespeckte Verordnung für die Bürokommunikationsgeräte noch in dieser Legislaturperiode kommt, darauf will sich der zuständige Oberregierungsrat Ullrich Bruchmann aus dem Umweltministerium nicht festlegen: „Der entscheidende Punkt nämlich, wer die Rücknahme der Geräte bezahlen soll, ist noch nicht geklärt.“

Thomas Lenius, Abfallfachmann beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), beschreibt die Gefechtslage: „Die Bundesregierung und die kommunalen Spitzenverbände sind sich darüber einig, daß die Hersteller und die Importeure die Kosten für Verwertung und Entsorgung der Altgeräte tragen sollen.“ Wer die Kosten für das Einsammeln des Computerschrotts trägt, darüber sind sich im Gegenzug nun wiederum Bundesregierung und Hersteller einig: Die Kommunen sollen es sein. Da Städte und Kommunen allerdings für jedes ausgemusterte Gerät, das auf ihren Recyclinghöfen abgegeben würde, zehn Mark verlangen, passiert erst einmal überhaupt nichts.

Zwar haben mittlerweile manche Großanbieter im Computer- Business einige Recyclingstationen eingerichtet. Aber auch darin sieht BUND-Experte Lenius noch nicht den Durchbruch. Er verweist hingegen auf einen Gesetzentwurf des niederländischen Umweltministeriums, der Anfang nächsten Jahres vom Parlament in Den Haag beschlossen wird. „Danach müssen bei uns ab 1999 Kühlschränke, Computer oder Fernseher von den Herstellern kostenlos zurückgenommen und verwertet werden“, freut sich Wilma Berends, Sprecherin der niederländischen BUND-Partnerorganisation „Vereniging Milieudefensie“. Diese Regelung sei im „breiten Konsens“ zwischen Herstellern, Handel und den Umweltverbänden entstanden, wobei nicht übersehen werden darf, daß die Niederlande immerhin die Heimat des Elektronik-Multis Philipps sind.

Dank des Elektronikschrott- Gesetzes können die Niederländer demnächst auch ihre Altgeräte – für die es keine Stichtagsregelung gibt – bei Kommunen und Geschäften zurückgeben. Wilma Berends: „Die Rücknahme ist zwar kostenlos, dafür ist aber beim Neukauf ein separater Verwertungsbeitrag für die Recycling-Kosten zu leisten.“ Die Zeche zahlt also der Verbraucher. Dennoch findet der BUND Gefallen an dem niederländischen Modell: „Damit ist ein hoher Rücklauf der alten Geräte gewährleistet“, so Thomas Lenius.

Für ihn sind die niederländischen Regelungen auch hierzulande schnell umsetzbar. Lenius erwartet weitere Verzögerungen, da die Europäische Kommission eine eigene Elektronikschrott- Richtlinie angekündigt hat: „Bis dieses Papier, hinter dem nun die Bundesregierung ihre Untätigkeit zu kaschieren versucht, alle Instanzen passiert, vergehen Jahren.“ Mit anderen Worten: Bis Georg Fröhlich von der Electrocycling GmbH in Goslar seine Verwertungskapazitäten voll nutzen kann, wird das neue Jahrtausend angebrochen sein. Ralf Köpke