Tansania und Burundi am Rande des Krieges

■ Neue Zusammenstöße an der Grenze. Schuld daran ist jeweils die andere Seite

Bujumbura (taz) – Die politischen Spannungen zwischen Burundi und Tansania führen möglicherweise zum Krieg. Der burundische Generalstab hat Tansanias Militär beschuldigt, den burundischen Grenzort Makamba mit Artillerie beschossen zu haben. Burundi habe sofort zurückgeschossen und eine Beschwerde bei der UNO eingereicht. Bei den Schußwechseln sollen in Burundi zwei Menschen umgekommen sein, in Tansania 15. Militärs in Tansania hingegen sagen, die burundische Seite habe zuerst geschossen.

Die burundische Militärregierung unter Pierre Buyoya ist überzeugt, daß burundische Hutu-Rebellen aus Flüchtlingslagern von tansanischem Boden aus operieren und dort von den Behörden geduldet werden. Ferner hält sie den tansanischen Expräsidenten Julius Nyerere, der als Vermittler im Bürgerkrieg zwischen Burundis Tutsi- dominierter Armee und den Hutu- Rebellen tätig ist, für nicht neutral. Schon Ende September war es zu Zusammenstößen an der Grenze gekommen, und bereits im Juli hatte die Regierung Buyoya dem großen tansanischen Nachbarn Annexionsgelüste vorgeworfen.

In Burundis Hauptstadt Bujumbura kursiert nun die Hypothese, daß burundische Rebellen für den Beschuß aus Tansania verantwortlich waren und daß die tansanische Armee diesen dann zu Hilfe gekommen sei. Burundis Regierung profitiert davon, indem sie den Beschuß aus Tansania als neuen Beweis für die Parteilichkeit dieses Landes darstellt. Mit diesem Argument fordert Außenminister Luc Rukingama einen neuen internationalen Vermittler für die Einleitung von Friedensgesprächen.

In Tansania führt die Eskalation mit Burundi zu politischem Streit. Tansania ist von Dürre geplagt, und in den Grenzregionen strömen zweimal in der Woche hungrige Tansanier über die Grenze auf Burundis Märkte, um sich mit Lebensmitteln zu versorgen. Dies unterläuft die ostafrikanischen Handelssanktionen gegen Burundi, die nach Buyoyas Militärputsch im Juli 1996 verhängt wurden.

Die Sanktionen gegen Burundi treiben die Lebensmittelpreise in die Höhe, was sowohl den Burundiern wie auch den über die Grenze kommenden Tansaniern Probleme bereitet. So mehrt sich in Tansania der Druck auf die Regierung, die Sanktionen aufzuheben. Diese Forderung erhob ein Unternehmensvertreter in der westtansanischen Stadt Kigoma am 12. Oktober in seiner Rede zur Eröffnung einer Filiale der tansanischen Handelskammer. Der anwesende Vizehandelsminister erwiderte, Politik sei wichtiger als die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung.

Die Situation ist um so absurder, als aus Tansania trotz der Sanktionen jeden Tag Lastwagen voller Handelsgüter nach Burundi kommen – über das Drittland Ruanda. Die embargobedingt erhöhten Preise nützen allein gewissen Händlern. Zu diesen wird Tansanias Außenminister Kikwete gerechnet, der dabei sei, sich mit dem Profit aus dem Schmuggel eine Wahlkampfkasse aufzubauen.

Ohnehin wird der Sinn der Sanktionen in Burundi immer weniger begriffen, nachdem die gewaltsame Machtergreifung von Denis Sassou-Nguesso in Kongo- Brazzaville keine internationalen Reaktionen hervorgerufen hat. „Da werden unterschiedliche Maßstäbe angelegt“, meint eine burundische Marktfrau: „Dort sagt man nichts, und hier wird eine Regierung bestraft, die den Massakern ein Ende gesetzt hat.“ Pierre-Olivier Richard