Wer soll euch kaufen?

■ Wie Frankreichs Magazin "L'Express" doch nicht an einen Rüstungskonzern verkauft wurde

Eine Redaktion, die lieber für einen Rüstungsproduzenten als für einen Medienbetrieb schreiben will. Ein Konzern, der wider seine erklärte wirtschaftliche Vernunft eine Zeitschrift halten will. Ein Staatspräsident, der in Medientransaktionen hineinfunktioniert. Und ein abgewiesener Kaufinteressent, der über seine Niederlage jubelt. – Die Ingredienzen des in allerletzter Minute gestoppten Verkaufs des größten und ältesten französischen News-Magazins L'Express sind explosiv.

Monatelang hatten gleich alle beide konservativen Newsmagazine L'Express und Le Point zum Verkauf gestanden. Ihre Eigentümerin seit 1995, der auch im Fernsehen und in der Werbebranche engagierte Havas-Konzern, hatte unter dem Druck seiner Hauptaktionärin, dem Versorgungs- und Multikonzern Générale des Eaux, beschlossen, sie abzustoßen. Le Point ging vor zwei Wochen für ungefähr 36 Millionen Mark an den Kaufhauseigner François Pinault, der ein langjähriger Freund und politischer Wegbegleiter von Staatspräsident Jacques Chirac ist.

Beim 1953 gegründeten L'Express mit heute 550.000 Auflage gestaltete sich die Sache schwieriger. Seit dem Frühjahr liefen Verhandlungen zwischen Havas und der ersten Kaufinteressentin, der Tageszeitung Le Monde. Im letzten Moment tauchte am 25. Oktober der Luftwaffenkonzern Dassault auf, dessen neogaullistischer Chef mit der rechtsextremen Front National zusammenarbeitet. Beide Gebote waren stattlich. Le Monde zufolge lagen sie umgerechnet zwischen 139 und 142 Millionen Mark.

Die Alternative zwischen der liberalen Le Monde, die Präsident Chirac ein Dorn im Auge ist, und dem Rüstungskonzern, dessen Familie seit Generationen mit den Chiracs befreundet ist, sorgte für Irritation. Havas ließ in der Redaktion abstimmen. Dabei sprachen sich 53 Journalisten für den Rüstungskonzern aus und bloß 19 für Le Monde. Was sie nicht wußten: Dassault hatte zum Zeitpunkt ihrer Abstimmung sein Angebot schon wieder zurückgezogen. Am nächsten Morgen stoppte der Havas-Vewaltungsrat die Transaktion. Der Grund: Die Kriterien seien „nicht komplett erfüllt“.

Der Chef von Le Monde, Jean- Marie Colombani, nahm die Ablehnung als Kompliment. „Wir haben festgestellt, daß Le Monde Angst macht“, kommentierte er am Wochenende in seiner Zeitung, bevor er die politische Einflußnahme von höchster Stelle auf den Medienmarkt kritisierte. Colombani sagte nicht, was er mit einer Redaktion angefangen hätte, der ein Rüstungskonzern als Arbeitgeber lieber ist als Journalisten. Dorothea Hahn