Zeitsprung rückwärts

■ Hertha BSC krampft Werder ein 2:0 ab, und Bremen sucht einen neuen Kreativling

Bremen (taz) – Irgendwie haben die Bremer so was schon mal gehört: Da sitzt der Trainer nach dem Spiel vor der Presse und spricht von einem „Riesenschritt“, den die Mannschaft gerade gemacht habe. Mit „Riesenkampf“, sicher, sicher, „im Spiel nach vorne noch zu vorsichtig“, aber nur so könne man „da unten rauskommen“, und der Manager schiebt hinterher, die Kicker hätten „Charakter gezeigt“ und so weiter und so fort. Besagter Trainer hieß an diesem Wochenende Jürgen Röber, der Manager Dieter Hoeneß. Die Hertha aus Berlin hatte Werder gerade ein 2:0 abgekrampft – aber es war wie ein Zeitsprung rückwärts in die Spätphase der Ära Dörner. Da pfiffen welche im Keller, denen sonnenklar war, daß sie bestenfalls eine Woche Luft haben. Belauerte, die genau wissen, was beim nächsten Fehler passiert. Von Erleichterung keine Spur. Und der Präsident saß daneben und lächelte süßsauer ins Irgendwo. Déjà vu.

Der dritte Sieg der Hertha in der Saison, der erste im Weserstadion überhaupt. Aber ein Spiel, das so trübe war, wie der herbstliche Küstennebel, der über der Stadt waberte. Berliner, die sich im wesentlichen aufs Destruktive beschränkten, den Grün-Weißen giftigst entgegengrätschten, aber wenn sie mal den Ball kontrollierten, mangels Spielkultur nichts damit anzufangen wußten. Und Bremer, denen es aufs Grauseligste an Ideen gebrach, wie denn die knüppelige Hauptstadttruppe zu überwinden wäre. Ein Spiel, nach dem man heimgeht und sich über vertane Lebenszeit ärgert.

Die Herthaner tankten unverdientes Selbstbewußtsein, und die Bremer hatten die Hosen voll. Vier Spiele ohne Tor – Werder hat einen Vereinsrekord eingestellt. Kein Wunder, daß die Bremer Fans am Ende einen priesen, der gar nicht da war: „Andy Herzog, du bist der beste Mann.“ Und weil die alpine Kreativabteilung wohl ziemlich bis zum Ende der Saison ausfallen wird, stehen Verein und Trainer Wolfgang Sidka nun unter allerschwerstem Handlungsdruck. „Wir werden uns in dieser Woche wohl ernsthafte Gedanken machen“, gestand Sidka. Soll heißen: Werder muß und wird sich allerschnellstens verstärken. Gemunkelt wird über Sergej Rebroff von Dynamo Kiew. Bis dahin gilt die Parole, die wohl auch die Berliner schon mal irgendwie gehört haben: „Unser Ziel ist, 40 Punkte zu erreichen.“ J.G.

Hertha BSC: Kiraly – Rekdal – Herzog, Schmidt – Arnold, Karl, Veit, Dinzey (85. Dardai), Preetz, Mandreko (70. Fährmann) – Tchami (80. Kruse)

Zuschauer: 33.000; Tore: 0:1 Trares (10./Eigentor), 0:2 Preetz (88.)

Werder Bremen: Reck – Trares – Wicky, Todt – Frey (74. Ramzy), Harttgen (46. Benken), Eilts, Brand (33. Flo), Skripnik – Frings, Bode