„Gegen korruptes und lockeres Leben“

■ Mwenze Kongolo, Innenminister der Demokratischen Republik Kongo, über die bisherige Bilanz der Regierung Kabila: Neben Leistungen in den Bereichen Wirtschaft und Sicherheit sieht er Probleme vor allem mit der „Mentalität“ seiner Landsleute

Mwenze Kongolo aus der südkongolesischen Provinz Katanga lebte lange in den USA, wo er als Jurist in der Exilorganisation „Anacoza“ Öffentlichkeitsarbeit gegen Mobutus Diktatur in Zaire organisierte. Nach Beginn von Laurent Kabilas AFDL-Rebellion kehrte er Anfang 1997 in seine Heimat zurück und wurde AFDL-Justizkommissar unter Kabila. Seit dem Sturz Mobutus im Mai ist Kongolo Innenminister und damit eine der mächtigsten Figuren in der Regierung des Kongo.

taz: Vor einem Jahr befreite die AFDL Bukavu, vor fünf Monaten das ganze Land. Was sind die Erfolge Ihrer Regierung seither?

Mwenze Kongolo: Unsere erste Leistung ist die Befreiung selber. Wir haben dann unsere Bemühungen auf die Währungsstabilisierung gelegt und die Inflation in den Griff bekommen. Das ist ein großer Erfolg. Wir haben uns sehr um die Beherrschung des Banditentums gekümmert, vor allem in den Städten. Wir haben auch Schritte unternommen, damit Informationen besser zirkulieren. Das Fernsehen ist jetzt fast landesweit zu empfangen. Nun sind wir dabei, eine nationale Polizei aufzubauen. Wir versuchen auch, andere afrikanische Länder zu sensibilisieren und sie zu ermutigen, rein afrikanische Positionen einzunehmen. Das ist gut aufgenommen worden: Es gibt Länder wie die Zentralafrikanische Republik, die vor unserer Machtergreifung von Frankreich abhängig war und die heute dabei ist, eine wirklich unabhängige Position einzunehmen. Das sind unsere Leistungen. Und es gibt viele andere kleine Dinge: Allmählich werden die Gehälter wieder gezahlt – und zwar ganz ohne auswärtige Hilfe.

Die Wurzeln des Mobutu-Systems gehen sehr tief. Auf welche Schwierigkeiten stoßen Sie in Ihrer Arbeit?

Es ist richtig, die Wurzeln gehen sehr tief, angefangen mit der Mentalität der Leute. Wir müssen gegen die Mentalität ankämpfen, nichts zu leisten und ein lockeres Leben zu führen, gegen Verbürgerlichung. Die jungen Leute wollen nicht in die Landwirtschaft gehen. Und es gibt die Korruption, diese Mentalität, für Dienste Geld zu nehmen. Wir haben auch Schwierigkeiten mit Leuten, die Mobutu stürzen wollten, als plötzlich ein anderes Regime die Macht ergriff – sie sind bitter und frustriert und profitieren nun von der kulturellen Atmosphäre, die in der Aufhetzung der Massen besteht. Was die Wirtschaft angeht: Es gibt keine Infrastruktur für die Produktion, wir haben noch keine Investoren und all diese Schwierigkeiten haben mit der Verwurzelung des Mobutismus zu tun.

Im Osten des Landes, im Kivu, ist gerade eine große Krise abgewendet worden, indem die Forderung der Mayi-Mayi-Rebellen nach Abzug der Soldaten aus Ruanda erfüllt wurde. Wie werden Sie nun mit den Mayi-Mayi umgehen?

Ich habe den Stammeskönigen grünes Licht gegeben, mit diesen jungen Leuten zu verhandeln, die im allgemeinen kein politisches Ideal haben – und wenn doch, dann muß man sehen, ob es wirklich im Gegensatz steht zu dem, was wir tun. Wir glauben, es gibt ein Bildungsproblem mit den Mayi-Mayi. Aber wenn sich herausstellt, daß es wirklich um eine Rebellion geht, müssen wir Gewalt anwenden, weil wir das als strafwürdiges Banditentum ansehen. Was sie machen, ist ein Skandal. Sie gehen in die Höfe und auf die Felder und nehmen Dinge mit Gewalt, sie stehlen Kühe, es ist wirklich Banditentum. Wenn die Verhandlungen auf dem Niveau der Stammeskönige nicht funktionieren, werden wir gezwungen sein, militärische Maßnahmen zu ergreifen, um diese Unordnung ein für allemal zu beenden.

Wie werden Sie mit den ruandischen Ex-Soldaten und Ex-Milizionären in den Wäldern des Hinterlands von Bukavu umgehen?

Gegen diejenigen, die weiter Widerstand leisten, werden wir Gewalt anwenden. Wir haben in Goma über tausend Unbewaffnete gefangengenommen und sie über das Land verteilt, weil wir dachten, daß eine Auslieferung nach Ruanda dort zu Unruhe führen würde. Wenn sie nicht kämpfen wollen und wissen, daß sie nicht friedlich nach Ruanda zurückkehren können, ist es besser, daß wir sie hier irgendwo ansiedeln, damit sie sich der Landwirtschaft widmen. Diejenigen, die Widerstand leisten und sich weiter dem Banditentum widmen, werden als Banditen behandelt.

Die Verfassungskommission hat soeben ihre Arbeit aufgenommen. Welche Grundlinien werden Sie für die neue Verfassung anwenden?

Es ist zu früh, um das zu sagen. Ich persönlich habe noch keine Zeit gehabt, mit den Mitgliedern dieser Kommission zu diskutieren, aber ich glaube, sie sind noch am Anfang. Außerdem haben sie sich noch gar nicht alle getroffen.

Die Kommission hat ihre Arbeit mit zweimonatiger Verspätung aufgenommen. Wird das Wahldatum April 1999 trotzdem respektiert werden?

Das ist das Ziel. Ich glaube, daß wir es respektieren wollen.

Wieso hat Ihre Regierung die UN-Untersuchungsmission blockiert, die jetzt ihre Arbeit doch aufnehmen soll?

Diese Geschichte ist wie ein Mühlstein um unseren Hals. Wir dachten, daß man dieses Problem benutzt, um uns abzulenken. Und daher ist es nötig, diese Leute machen zu lassen, was sie machen wollen, damit wir machen können, was wir machen wollen. Wir wissen, daß das alles rein politisch ist. Also dachten wir, daß wir ja nichts zu verbergen haben, wir schützen nur unsere Souveränität. So haben wir Zugeständnisse gemacht: Wir haben nun unsere Souveränität aufs Spiel gesetzt, damit wir in Ruhe arbeiten können. Das ist etwas widersprüchlich, aber ich denke, es ist für den Moment das Beste. Interview: Oliver Meisenberg