Zwei-Mann-Guerilla vor Gericht

Mit einer Serie von „potentiell tödlichen“ Anschlägen verwirrten die „Antiimperialistischen Zellen“ (AIZ) jahrelang die Linke und den Staatsschutz  ■ Aus Berlin Gerd Rosenkranz

Der Prozeß vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verspricht einigen Unterhaltungswert. Vom 14. November an müssen sich der 30jährige Bernhard Falk und sein gleichaltriger Freund Michael Steinau wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und mehrfachen versuchten Mordes verantworten. Angeklagt sind mit den beiden früheren Physikstudenten und heutigen Islamisten die „Antiimperialistischen Zellen“ (AIZ) und damit die wohl skurrilste Guerilla, die die bundesdeutsche Linke je hervorgebracht hat.

Nicht nur für die beiden Angeklagten, denen die Beteiligung an insgesamt sechs glimpflich verlaufenen Sprengstoffanschlägen zwischen Juni 1994 und Dezember 1995, unter anderem gegen Bonner Hinterbänkler aus der CDU, zur Last gelegt wird, ist die Lage ziemlich prekär.

Ähnlich ungemütlich müssen sich die Ankläger fühlen. Insbesondere der Verfassungsschutz hatte die AIZ in Hintergrundanalysen zu veritablen RAF-Nachfolgern aufgeblasen, mit, „konservativ gerechnet“, 25 bis 50 Mitgliedern. Inzwischen liegt der Verdacht nahe, daß den Fahndern mit den beiden Angeklagten im Februar 1996 in Witzhave bei Hamburg gleich die ganze Truppe ins Netz ging.

Die beiden Angeklagten waren bei den Vorbereitungen zu einem Anschlag auf den SPD-Politiker Freimut Duve geschnappt worden. Der Verfassungsschutz meldete: Die Struktur der Gruppe sei durch die Verhaftung „weitgehend zerschlagen“.

Nach der Inhaftierung des Duos brachen die Anschläge abrupt ab, die terroristische Vereinigung AIZ verschwand, wie vom Erdboden verschluckt. Die Düsseldorfer Richter müssen deshalb auch die juristisch diffizile Frage beantworten, ob eine „terroristische Vereinigung“ mindestens als Trio auftreten muß oder ob sich in Ausnahmefällen auch ein Paar dieses Etikett verdienen kann.

Erstmals gemeldet hatte sich die Gruppe im April 1992, unmittelbar nachdem die RAF überraschend die Aussetzung des bewaffneten Kampfes verkündet hatte. „Der Kampf geht gemeinsam weiter!“ tönten die selbsternannten Nachfolger. Und schritten zur Tat. Ein Sprengstoffanschlag auf die Juristische Fakultät der Uni Hamburg (wegen deren Rolle im Dritten Reich) richtete einen Sachschaden von eineinhalb Millionen Mark an. Ein Anschlag auf das Wohnhaus eines früheren Beamten der GSG 9 und Gewehrsalven auf den Sitz des Gesamtverbandes der Metallindustrie in Köln folgten. Dann Sprengstoffattentate auf die CDU- Kreisgeschäftsstelle in Düsseldorf, das FDP-Büro in Bremen, das Wohnhaus des früheren Staatssekretärs Volkmar Köhler in Wolfsburg, die Domizile der CDU-Bundestagsabgeordneten Josef-Theodor Blank und Paul Breuer und schließlich auf den Sitz des peruanischen Honorarkonsuls in Düsseldorf.

Garniert waren die Anschläge mit endlosen politischen Erklärungen, die sich anfangs an der Geschichte der RAF abarbeiteten, um zuletzt im fundamentalistisch islamischen Niemandsland zu enden. Die linke Szene wandte sich mit Grausen, spätestens als die AIZ in ihrem letzten Bekennerbrief verkündete: „Wir haben den Islam als revolutionäre Waffe in voller Schärfe und Schönheit kennenlernen dürfen.“