Das Portrait
: Singende Anwältin kleiner Hände

■ Bettina Wegner

Ende der siebziger Jahre war sie zur richtigen Zeit am rechten Platz: In der Bundesrepublik wurde eines ihrer Lieder veröffentlicht, das den linksalternativen Zeitgeist so punktgenau traf wie keine anderes: Bettina Wegner hieß die Sängerin, kam aus der DDR und mußte trotzdem, liedermacherisch gesehen, nur ein kleines bißchen vom „Es ist so gemein, daß- sie mich rausgeworfen haben“-Nimbus Wolf Biermanns profitieren. Und ihr Lied, kongenial mit leiser, ja mürber Stimme vorgetragen, hieß: „Sind so kleine Hände“. Das traf den inneren Sound der melancholischen Linken nach dem Deutschen Herbst vortrefflich: Sang sie im Grunde nicht von Kindern, sondern von den Händen aller, denen der Staat etwas zu heftig auf die Fingerkuppen getreten hatte?

Dann wurde es wieder still um die staatlich geprüfte DDR-Schlagersängerin, in deren Repertoire einst eine deutsche Fassung des Uriah- Heep-Titels „Lady in Black“ lag. Leise gar, weil mancher hämte und „Sind so seichte Verse, kann man nicht drin baden geh'n“ intonierte und sich des lachenden Beifalls der Zuhörenden sicher sein konnte. Nein, für Bettina Wegner waren die munteren, schadenfrohen und lauten achtziger Jahre nicht geeignet – sie beharrte auf ihrem Leiden und scheute sich auch nicht, freitags kurz vor Mitternacht vor 30 Leuten in einem Hamburger 2.000-Menschen-Theater aufzutreten: eine Heilige in eigener Sache.

Mancher hatte ihr schließlich nach dem DDR-Ende eine Wendekarriere prophezeit: Auch Bettina Wegner war ein Stasi-Opfer, auch sie hätte Grund gehabt, sich benachteiligt zu fühlen. Doch, die beste Seele der Liedermacherszene, die Frau ohne das geringste Gespür für Ironie, blieb sich treu: Eine klampfende Bohley wollte sie nicht sein, eine verfolgende Unschuld sowieso nicht. Statt dessen sang sie weiter („Traurig bin ich sowieso“) für die Sache der Gerechtigkeit. Von Asylbewerbern und flüchtenden Menschen, von Armut und armen Seelen, von Hoffnung und Trost. Leise Lieder, oft langweilige Lieder, leider, doch im Gestus ehrlich: So eine lügt einfach niemanden an.

Und so eine ist konsequent – und das wird ihr jetzt gelohnt: Wegners Auftritte gerade vor früherem DDR- Publikum sind oft ausverkauft. Warmen, dankbaren Applaus erntet sie nun: Eine Sängerin in einem neuen deutschen Herbst. Gestern wurde sie 50 Jahre alt. Jan Feddersen