Widerstand kann teuer werden

Bundesgerichtshof: Mitglieder einer sächsischen Bürgerinitiative müssen Bauunternehmen entschädigen, weil Bauarbeiten zwei Tage verzögert wurden  ■ Von Christian Rath

Freiburg (taz) – Wenn DemonstrantInnen den Beginn von Bauarbeiten verzögern, müssen sie künftig mit erheblichen Schaden- ersatzforderungen rechnen. Dies entschied gestern der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Das oberste deutsche Zivilgericht erklärte, daß auch das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit solche Aktionen nicht rechtfertige.

Der Streit entzündete sich in der sächsischen Gemeinde Weißig. Die Gemeindeverwaltung wollte einen großflächigen Gewerbepark einrichten, wogegen sich jedoch eine örtliche Bürgerinitiative wehrte. Zum Zeitpunkt des Baubeginns im April 1991 mobilisierte die BI rund 20 BürgerInnen auf das Baugelände und verhinderte die Aufnahme der Bauarbeiten.

Die BürgerInnen vermuteten, hier solle bereits vor der Genehmigung Fakten geschaffen werden. Tatsächlich hatte die Behörde das Projekt jedoch bereits abgesegnet. Nachdem sich auch die BI hiervon überzeugt hatte, konnten die Bauarbeiten mit zweitägiger Verspätung ungestört fortgesetzt werden. Dennoch forderten zwei Bauunternehmen von vier BI-Mitgliedern Schadensersatz in Höhe von rund 62.000 Mark.

Wie die Vorinstanz, das Oberlandesgericht (OLG) Dresden, entschied nun auch der BGH, daß hier ein rechtswidriger Eingriff in den Besitz der Unternehmen an ihren Baumaschinen vorliege. Dennoch muß das OLG nochmals in die Beweisaufnahme einsteigen, da bei drei von vier BI-Mitgliedern nicht ausreichend geklärt wurde, ob sie an der Aktion überhaupt teilgenommen hatten.

Schon mehrfach hatte sich der BGH mit Schadensersatzklagen im Nachfeld von gewalttätigen Demonstrationen beschäftigen müssen. Nach seiner Rechtsprechung gilt, daß einzelne DemonstrantInnen grundsätzlich für den gesamten von einer Demonstration ausgelösten Schaden haftbar gemacht werden können. Dabei sei jeder „Mittäter“ für den gesamten Schaden verantwortlich.

Voraussetzung ist dafür allerdings, daß der konkrete Schaden auch vom Willen der Demo-TeilnehmerInnen gedeckt ist. Dies sah der BGH gegeben, als der SDS 1968 nach dem Attentat auf Rudi Dutschke 1968 zur Blockade der Frankfurter Druckerei der Bild- zeitung aufgerufen hatte. Auch der Aufruf zur Verteidigung eines besetzten Hauses gegen die räumungswillige Polizei mache allen Teilnehmern klar, welche Schäden hier entstehen können. Anders entschied der BGH jedoch im Falle der Massendemonstration gegen das Akw Grohnde 1977. Hier verhinderte er, daß 18 Akw- Gegner je 233.000 Mark Schaden- ersatz zahlen mußten, obwohl ihnen selbst keinerlei Straftaten nachgewiesen werden konnten.

Gestern hat der BGH seine Rechtsprechung auf passiven Widerstand übertragen. Dabei dürfte er allerdings die Tragweite der grundgesetzlich geschützten Demonstrationsfreiheit ziemlich verkannt haben. (Az.: VI ZR 348/96)