Das Portrait
: Neuseelands Eiserne Lady

■ Jenny Shipley

104 Jahre, nachdem Neuseeland als weltweit erstes Land das Frauenwahlrecht einführte, wird jetzt in dem Inselstaat erstmals eine Frau Regierungschefin. In klassischer Machtpolitik hat sich die 45jährige Jenny Shipley gegen den bisherigen Amtsinhaber John Bolger aus ihrer eigenen konservativen Nationalpartei durchgesetzt. Die bisherige Transportministerin Shipley nutzte den Auslandsaufenthalt des in Meinungsumfragen unbeliebten Premiers, um gegen ihn einen Putsch der Parteirechten zu führen. Nach Bolgers Rückkehr drohte sie ihm Anfang der Woche mit Kampfabstimmung. Bolger warf das Handtuch, Shipley wurde zur Nachfolgerin nominiert. Voraussichtlich Ende des Monats wird sie Ministerpräsidentin.

Bis dahin muß Shipley noch die rechtspopulistische „New Zealand First“-Partei von der Fortsetzung der elfmonatigen Koalition überzeugen. Das Regierungsbündnis hat im Parlament nur eine hauchdünne Mehrheit. Da die von Winston Peters geführte „New Zealand First“-Partei bei vorgezogenen Wahlen mit Stimmenverlusten rechnen muß, hat Shipley gute Aussichten. Sollte Peters ihr doch die Unterstützung versagen, will Shipley eine Minderheitsregierung bilden.

Die Fähigkeiten der resoluten Politikerin sind weithin anerkannt. Shipley gehört seit zehn Jahren dem Parlament an, wurde 1990 Sozialministerin und 1994 Gesundheits- und Frauenministerin und hat sich seitdem ehrfürchtigen Respekt verschafft. Die frühere Grundschullehrerin, Mutter zweier Kinder, ist die neuseeländische Version von Margaret Thatcher. Von wohl keiner Politikerin in ihrem Land wurden bei Protestveranstaltungen soviel Puppen verbrannt wie von ihr – und das noch vor ihrem Machtantritt als Premierministerin.

Ohne Scheu vor unpopulären Maßnahmen führte Shipley die Wohlfahrtsreformen der Labour-Regierung in den achtziger Jahren fort, strich das Sozialsystem weiter zusammen und privatisierte das Gesundheitswesen. Viele machen sie daher für die Verschlechterung der neuseeländischen Gesundheitsversorgung verantwortlich. Als Premier will sie die Privatisierungen fortsetzen. Sollte sie scheitern, wird wohl trotzdem eine Frau Neuseeland regieren: Die oppositionelle Labour Party, die in Meinungsumfragen führt, wird von Helen Clark geführt. Sven Hansen