: Schwaches Votum für Jordaniens König
Dank Manipulation und Wahlboykott der Opposition setzen sich bei den Parlamentswahlen königstreue Beduinen durch. Das Abgeordnetenhaus in Amman wird zum Männerclub. Viel zu sagen haben die Mitglieder nicht ■ Von Thomas Dreger
Berlin (taz) – Am Ende half nicht einmal das Wort des Muftis. Das mit König Hussein verbundene Oberhaupt der sunnitischen Muslime Jordaniens hatte kurz vor den Parlamentswahlen per Fatwa bestimmt, der Urnengang sei „ein heiliger Dienst an der Nation“. Dennoch lag die Wahlbeteiligung am Dienstag laut offiziellen Angaben nur bei 44,27 Prozent der Wahlberechtigten (54,6 Prozent jener JordanierInnen, die sich hatten registrieren lassen). In jordanischen Medien wurde gestern spekuliert, der Regen sei für Abstimmungsunlust der knapp 1,5 Millionen Wahlberechtigten verantwortlich. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß ein Boykottaufruf von neun Oppositionsparteien – darunter die Islamische Aktionsfront und die Muslimbrüder – weite Teile der Bevölkerung dazu bewegte, den Wahllokalen fernzubleiben. Denn im Norden des Landes – Hochburg der Opposition – lag die Wahlbeteiligung wesentlich niedriger als im königstreuen Süden.
Dennoch kann Jordaniens Monarch mit dem Ergebnis zufrieden sein: Gewinner der Wahlen sind zumeist dem Königshaus verbundene Beduinenoberhäupter. Laut dem gestern veröffentlichten Endergebnis erlangten sie 68 der insgesamt 80 Sitze. Arabische Nationalisten des jordanischen Ablegers der Baath-Partei und Linke stellen vier Parlamentarier. Ebenfalls vertreten sind sechs Islamisten. Einige von ihnen gelten als Unabhängige, andere wurden wegen Bruch des Wahlboykotts aus ihren Organisationen ausgeschlossen. Von den 17 Frauen unter den insgesamt 521 KandidatInnen schaffte keine den Einzug in das Parlament, selbst die bisher einzige Abgeordnete, die TV-Moderatorin Tudschan Faisal, verlor ihr Mandat. Zu den Verlierern gehört aber auch die Nationale Verfassungspartei. Die als „Partei des Regimes“ geltende Organisation ist im künftigen Parlament mit nur zwei Abgeordneten vertreten. Insgesamt werden in dem Haus nur fünf Politiker mit offiziellem Parteiticket sitzen.
Die Opposition hatte ihren Aufruf zum Boykott vor allem mit dem Alibicharakter des Parlaments begründet. Denn neben dem Parlament hat Jordanien noch einen Senat. Dessen 40 Mitglieder werden vom König ernannt – ebenso wie die Regierung.
Zum Unmut der Opposition trugen aber auch massive Einschränkungen beim Wahlkampf bei. Absolutes Tabu war Kritik am Frieden mit Israel. Obwohl weite Teile der jordanischen Bevölkerung den Friedensvertrag ablehnen – schätzungsweise 60 Prozent der JordanierInnen sind palästinensischer Herkunft –, waren entsprechende Aussagen im Wahlkampf verboten. Transparente mit antiisraelischen Inhalten wurden von Polizei und Militär entfernt. Schließlich gilt der vor drei Jahren geschlossene israelisch-jordanische Friedensvertrag in Amman als Chefsache des Königs.
Die Opposition bemängelte auch die manipulative Einteilung der Wahlkreise zugunsten königstreuer Kandidaten. Während in einem der bei Amman gelegenen Palästinenserlager 30.000 BewohnerInnen durch einen Abgeordneten repräsentiert werden, sind es im königstreuen Süden nur rund 10.000.
Trotz dieser „klaren Verhältnisse“ zugunsten von König Hussein scheinen einige Anhänger des Monarchen auf Nummer sicher gegangen zu sein. Ausländische Beobachter bemerkten Wahlhelfer einzelner Kandidaten, die stapelweise Wahlkarten bei sich hatten. Eigentlich werden diese Karten den Wahlberechtigten ausgehändigt, wenn diese sich registrieren lassen. Bereits Tage vor der Wahl hatte es Probleme mit den Wählerlisten gegeben. Auf Druck von Oppositionspolitikern strichen die Wahlbehörden laut offiziellen Angaben 120.000 Namen aus den Wählerlisten. Entweder waren die Verzeichneten gleich mehrfach aufgelistet oder sie waren längst verstorben.
Angesichts dieser Verhältnisse glaubten nicht einmal die KandidatInnen an einen korrekten Wahlverlauf. Bei einer Umfrage der Tageszeitung al-Arab al-Jawm erklärten wenige Tage vor der Abstimmung nur 34 Prozent von 176 befragten KandidatInnen, sie hielten die Wahlen für fair und frei. 88 Prozent sprachen sich für eine Änderung des Wahlgesetzes aus. Doch König Hussein ficht das nicht an. Am Wahltag erklärte er unbeindruckt: „Wir beharren darauf: Jordanien ist ein Modell für jene, die dem Pfad der Demokratie folgen wollen.“
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