Ein Zett und zwei Nullen

Tiere vor der Kamera, mal melancholisch, mal düster und bedrückend: Die Kehrseite der Kodakwelt im Tierpark. Die andere Art der Fotosafari. Entdeckungsreise ins Reich der Zootiere mit Britta Jaschinski  ■ Von Susanne Gupta

Einsam gleitet die schimmernde Silhouette eines Raubfisches in undurchdringliche Schwärze hinein, die sie ganz zu verschlucken droht. Die Gestalt bleibt unfaßbar, eine verschwommene Kontur auf einem Quadratmeter Licht. An einem grauen, grobkörnigen Himmel mit reglosen Wolken fliegt ein Delphin und läßt selbst Vögel unter sich zurück. Der schemenhafte Umriß eines Krokodils kauert auf einem undefinierbaren Grund. Auf der Wasseroberfläche treiben die Spiegelungen von Pflanzen und Blättern ihr Spiel. Ihre Schatten zeichnen wie zur Tarnung Muster auf den Körper des gesichtslosen Tieres.

Im Zoo nie besonders glücklich gewesen

Diese eindrucksvollen Momentaufnahmen Britta Jaschinskis zeigen, daß Fotografie von Tieren auch ganz anders sein kann. Anders als die grell-bunten, gestochen scharfen Fotos semiprofessioneller Hobbyfotografen, die exotische Tiere im Wildlife und oft mehr als Tiere, die technische Perfektion der Apparate, in Szene setzen. Über mehrere Jahre fotografierte Britta Jaschinski rund um den Globus, Tiere in vielen Zoologischen Gärten Europas und den USA. Es entstand die Fotoserie ZOO, mit der die erst 31jährige Fotokünstlerin zunächst in England, ihrem Wohn- und Arbeitssitz, erste Ausstellungserfolge feierte, darunter in der renommierten Londoner Photgraphers Galery. Einladungen ins Ausland nach Spanien und die USA folgten. In Deutschland, wo die gebürtige Bremerin zwar den Preis des Jungen Fotojournalismus gewann, sind ihre poetischen Tierbilder jetzt nach Veröffentlichungen in Lettre International im Foyer des Hebbel Theaters zu sehen. Harte sozialdokumentarische Aufnahmen, die die Zustände in den Zoos anprangern, entsprechen nicht dem Stil der engagierten, aber nicht radikalen Tierschützerin. Mit extremen Kontrasten von Schwarz und Weiß kreieren ihre Fotos melancholische, düstere und manchmal auch bedrückende Atmosphären.

„Einsamkeit“, „Depression“, „Warten auf den Tod“ sind für Jaschinski die symbolischen Konnotationen dieser dunkel inszenierten Lebensräume. Sie spiegeln persönliche Empfindungen zwischen Eingeschlossenheit und Verlassensein wider. Im Gegensatz zu anderen Kindern hatte Britta Jaschinski bei „Zootrips“ nie ein Glücksgefühl. Während des Studiums am Bournemouth College of Art and Design – den sicheren Job in der deutschen Werbebranche, wo sie Fast food und Katalogartikel in Szene setzte, gab sie schnell auf – landete sie dann auf Sujetsuche im Londoner Zoo. Hier spürte sie den Gründen ihrer Abneigung gegenüber Zoos nach. Die Stärke der Zoofotos liegt in der emotionalen Qualität. Britta Jaschinski kam es darauf an, etwas von der „Persönlichkeit“, der „Empfindsamkeit“ der Tiere spürbar werden zu lassen. Sie zeigt Tiere als Subjekte, ohne Sentimentalisierungen. So erinnern einige Tierporträts, deren abstrakter, artifizieller Charakter sie in die Nähe der Malerei rückt, an Franz Marc, dessen schönste Tierbilder im Berliner Zoo entstanden. Im traurigen Auge eines Orang-Utans, beim Anblick einer runzeligen Affenhand, begegnet der Betrachter einem spannungsvollen Wechselspiel von Fremdheit und Ähnlichkeit.

Trotz des abstrakten Charakters der Bilder ist das Tier aber nie auf eine rein symbolische Funktion reduziert. Ein englischer Kritiker schrieb, daß die Tiere von einer geheimnisvollen Aura umflort erscheinen. Und tatsächlich gewinnen die Tiere in Britta Jaschinskis Fotos eine Würde zurück, die sie mit dem Prozeß der Entzauberung der Welt verloren haben. Tiere führen ihr Eigenleben, „sie lassen sich nicht studieren“, meint die Fotografin. Und sie hält fest, wie sie uns den Rücken zuwenden, unserem Blick fliehen, aus dem Bild laufen, verschwinden. Der angeschnittene Leopard ohne Kopf, der Abdruck einer Tatze, die vergrößerte Struktur des Fells verweigern sich der Eindeutigkeit und Identifikation.

Eine Stätte der Aufklärung

Zoologische Gärten sind für Britta Jaschinski ein Anachronismus, Überbleibsel eines imperialen Zeitalters, Fotosafaris in Kenia, Reisen zum Amazonas, Fernsehkameras, die Tiere im verstecktesten Winkel aufstöbern – all das ist heute Wirklichkeit.

Die Institution Zoo als reine Amüsierstätte, die ihre einzige Legitimation aus dem Freizeitbedürfnis nach dem Exotischen schöpft, ist längst diskussionswürdig. Abgesehen von angemesseneren Lebensbedingungen für Zootiere, kann sich Britta Jaschinski eine Alternative zum Zoo zwar nicht vorstellen, aber sie schlägt vor, dem durchschnittlichen Besucher im Zoo der Zukunft durch Aufklärungsarbeit, Ausstellungen und Filme mehr Informationen über Tierverhalten, Artenschutz und Bedrohung der Lebensräume zugänglich zu machen.

Zoofotografien von Britta Jaschinski im Hebbel Theater, Stresemannstraße 29, Kreuzberg