Schröder will Kohl helfen

■ Renten: Höhere Beiträge beschlossen

Bonn (taz) – Die Bundesregierung hat gestern erstmals gegen den erklärten Willen des Bundeskanzlers entschieden. Obwohl Helmut Kohl die Anhebung des Rentenbeitrags auf 21 Prozent vor einigen Tagen als „nicht akzeptabel“ bezeichnet hatte, hat das Bundeskabinett gestern eben dies beschlossen. Möglicherweise kommt aber der potentielle Kanzlerkandidat der SPD, Gerhard Schröder, dem Kanzler zu Hilfe. In einem bislang einmaligen Vorgang hat die Bundesregierung die Erhöhung des Rentenbeitrags allerdings unter einen Vorbehalt gestellt. Im Kabinettsbeschluß heißt es, die Bundesregierung wolle im Rahmen der bevorstehenden Beratungen des Rentenreformgesetzes 1999 erneut auf die Länder und die Opposition im Bundestag zugehen, um nochmals gemeinsame Möglichkeiten zur Verminderung des Beitragsanstiegs zu besprechen. Dabei appelliert die Regierung an die SPD, sich „konstruktiven Lösungsansätzen“ nicht zu verschließen. Die Länderkammer wird am 19.12. über die Beitragssatzverordnung beschließen.

Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder hat sich offenbar angesprochen gefühlt. Schröder will der Koalition einen Kompromiß zur Senkung der Rentenversicherungsbeiträge vorschlagen, indem er anregt, die von der Koalition für Anfang 1999 geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt auf den 1. Januar oder 1. April 1998 vorzuziehen. Im Vermittlungsausschuß zur Steuerreform hatte die SPD noch darauf beharrt, die Mehrwertsteuer nur gleichzeitig mit der Mineralölsteuer zu erhöhen. Gerüchte, Schröders Position sei mit dem Präsidium der SPD, insbesondere mit SPD-Parteichef Oskar Lafontaine, abgestimmt, haben sich als falsch herausgestellt.

Schröders Sprecher Uwe Karsten Heye hatte am Mittwoch in Hannover gesagt, Schröder werde bei seiner Einführung als Bundesratspräsident am heutigen Freitag die Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Punkt vorschlagen. Das Redemanuskript Schröders ist allerdings in dieser Frage nicht eindeutig. Im Zusammenhang mit dem Anstieg des Rentenbeitrags und eines Kompromisses mit der SPD sagt er demzufolge lediglich: „Ich kann hier nicht für den ganzen Bundesrat sprechen. Aber ich habe meine Verantwortung als Ministerpräsident.“ Schröder hatte aber vor der SPD-Fraktion erklärt, daß er zu einer Mehrwertsteuererhöhung bereit wäre. SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering kritisierte den Kabinettsbeschluß als „Dokument einmaliger Ratlosigkeit“.

Markus Franz Bericht Seite 2