Freundinnen wegputzen wie Kalbskoteletts

■ Ganz bestimmt kein politisch korrekter Frauenkrimi: Susanne Moores „Aufschneider“

Einst war er Hort feministisch korrekter Utopien. Die Kommissarinnen, lesbisch, ledig und nicht mehr ganz jung, nahmen ihren vertrottelten männlichen Kollegen die Knarre aus der Hand und sorgten für eine neue, weibliche Ordnung. Die Ladies of Crime setzten Standards und führten die Bestsellerlisten an. Und nun das: Der Thriller einer Frau, in dem die Männer wieder ganz gewöhnliche Machos sind, die „Freundinnen wegputzen wie Kalbskoteletts“, und Frauen nur das Eine sein können: Opfer. Zerstückelt, aufgeschlitzt.

Nach der Lektüre von Susanna Moores „Aufschneider“ kann sich jedoch keine beschweren, sie sei nicht gewarnt worden. Schon auf den ersten Seiten ihres Buches kündigt die Autorin an, was ihre Leser erwartet. Nur zu gut kennt ihre Heldin diese zartbesaiteten Literaturstudentinnen und Möchtegernliteraten, die „Probleme haben mit der Ironie“. Sie weiß, daß sie sich beim Lesen von Naipaul oder Graham Greene „so sehr über die mißhandelten, ermordeten und zerstückelten Frauen empören könnten, daß sie außerstande wären, die Klugheit der Bücher zu erkennen“. Susanna Moore ist eine kluge Frau und eine berechnende. Sie kennt die Mischung aus Sex und Gewalt, die verstört, fasziniert und sich gut verkauft. Und sie beherrscht den wunderbar lakonischen Stil der besten amerikanischen Thrillertradition.

Klug ist auch Frannie, Susanna Moores Protagonistin, die in New York Creative Writing unterrichtet und versucht, ihre Studenten dazu zu bringen, „über etwas anderes als sich selbst zu schreiben“. Frannie ist eine moderne, geschiedene Frau, die mit 36 ihre Illusionen über die Männer längst verloren hat, die gern und bewußt allein lebt. Mit ihrer Freundin Pauline tauscht sie ihre Beobachtungen über das andere Geschlecht aus: „Die besten Liebhaber, darin sind Pauline und ich uns einig, sind Männer, die in jungen Jahren von einer älteren Frau verführt wurden.“ Daß sie, die Frau mit dem kühlen Kopf und dem noch kühleren Herzen, sich ausgerechnet von dem eitlen, prahlerischen Detective Malloy angezogen fühlt, beunruhigt sie. Mehr noch als die Serie von Frauenmorden, die der New Yorker Polizist aufklären soll.

Fasziniert von Malloy und seiner Männerwelt scheint Frannie mehr und mehr ihren scharfen Verstand auszuschalten. Mit wachsendem Interesse studiert sie das Verhalten des Detectives und seiner Kollegen – so wie eine Schmetterlingsforscherin eine seltene Spezies beobachtet. In einem Glossar sammelt die Sprachwissenschaftlerin die Ausdrücke, die Männer für Frauen und Sex benutzen. Selbst als ein weiterer Mord geschieht, will sie immer noch nicht begreifen, daß dies ein Spiel ist, das tödlich enden kann. Denn Frannie hat vergessen, „wie man einen Punkt setzt – etwas was Frauen normalerweise können.“

Selten hat eine Frau so drastisch über Sex geschrieben. Und auch den Skandal, den sie damit in den USA provozierte, dürfte Susanna Moore genau kalkuliert haben. So wie sie ihre Figuren kalkuliert hat, die keine Charaktere, sondern Abziehbilder sind. Und ihre Sprache, die so beunruhigend kühl ist, ohne überflüssige Adjektive und ohne Beschönigungen. Eine Sprache, die seziert, aber nicht nach Erklärungen sucht, konsequent und diszipliniert, bis zum letzten Punkt. Denn in Frannies New York herrscht Krieg zwischen Männern und Frauen, und solange sich die Geschlechter in zwei feindlichen Lagern gegenüberstehen, ist jede Partnership for Peace nur Augenwischerei. Diemut Roether

Susanna Moore: „Aufschneider“. Roman. Aus dem Amerikanischen von Giovanni Bandini und Ditte König. Rowohlt Verlag, Reinbek 1997, 192 Seiten, 34 DM